von jedem tag will ich was haben was ich nicht vergesse ein lachen ein sieg eine träne ein schlag in die fresse
»Er war verwurzelt im Schlamm der Braunkohle und mit dem Kopf in den Sternen.« (Andreas Dresen)
Drehbuch: Laila Stieler
Regie: Andreas Dresen
© Pandora Film, 2018
www.gundermann-derfilm.de
Auch zwanzig Jahren nach seinem vorzeitigen Ableben ist der ostdeutsche Singer-Songwriter Gerhard Gundermann (1955-1998) unvergessen. Nun hat der Baggerfahrer und Liedermacher, Genosse und Rebell, Offiziersschüler und Befehlsverweigerer, Spitzel und Bespitzelter unter der Regie von Andreas Dresen die Kinoleinwand erobert.
Als 12jähriger zog Gundi mit seiner Mutter nach Hoyerswerda ins Lausitzer Braunkohlerevier. Eine prägende Erfahrung: Er fand eine aus dem Krieg stammende Pistole seines Vaters, die er Spielkameraden zeigte. Der Vater wurde daraufhin wegen illegalen Waffenbesitzes zu einer Bewährungsstrafe verurteilt und brach jeden Kontakt zu Gundi ab.
Gundi studierte an der Offiziershochschule der Landstreitkräfte, wurde aber exmatrikuliert, als er sich weigerte, ein Loblied auf einen General zu singen, und arbeitete fortan als Baggerfahrer im Tagebau Spreetal. Er nahm den Sozialismus ernst und setzte die sozialistischen Ideale gegen die Funktionäre ein. Er wurde vom Ministerium für Staatssicherheit als Inoffizieller Mitarbeiter angeworben, wurde aber von der SED wegen unerwünschter eigener Meinung ausgeschlossen.
1978 war Gundi mit dem Singeklub Hoyerswerda zum Festival des politischen Liedes nach Ost-Berlin gefahren. Der Singeklub nannte sich in "Brigade Feuerstein" um, der sorbischen Bezeichnung für Braunkohle, mit der Gundi Mitte der 1980er-Jahre sein Kindermusical "Malvina" aufführte. Zu dieser Zeit war Musik für Gundi nur ein Transportmittel für seine Texte: Wie einer Gitarre spielen kann, ist gar nicht ausschlaggebend. Wenn wir gute Politik machen, können wir spielen wie 'ne Dorfband...
1986 hatte Gundi erste Soloauftritte als Liedermacher und gewann im folgenden Jahr den Preis bei den Chansontagen der DDR. 1988 erschien seine erste LP. In der Nach-Wende-Zeit sammelte der singende Baggerfahrer und seine "Seilschaft" eine stetig wachsende Fangemeinde um sich herum und spielte sogar im Vorprogramm von Bob Dylan und Joan Baez.
Er hätte von der Musik leben können, arbeitete aber weiterhin im Tagebau (Ich mag nicht Klinken putzen gehen. Meine Musik ist da. Wenn sie gut ist, wird sie gehört.) und führte ein extrem anstrengendes Doppel-Leben als Rockmusiker auf der Konzertbühne und Baggerfahrer im Schicht-Dienst. Mit nur 43 Jahren starb er an einer Gehirnblutung.
Zu Gundermanns 60. Geburtstag organisierte der gebürtige Geraer Regisseur Andreas Dresen zusammen mit Schauspieler Axel Prahl (Münster-Tatort) ein Gedächtnis-Konzert. Mit Prahl hatte Dresen bereits 2002 die Tragikomödie "Halbe Treppe" gedreht, dessen Soundtrack ausschließlich von der Berliner Band 17 Hippies realisiert wurde. Diese wurden auch in den Film einbezogen: vor der Imbissbude, der dem Film den Namen gegeben hat, steht zu Beginn ein Dudelsackspieler, an jedem Tag kommt ein weiterer Musiker hinzu ...
Andreas Dresen hat Gundi nicht persönlich kennengelernt ...
... interessierte sich aber schon früh für die schillernde und widersprüchliche Figur Gundermann, obwohl zunächst die Zeit noch nicht reif dafür war ...
immer wieder wächst das gras wild und hoch und grün bis die sensen ohne hass ihre kreise ziehn
Kommt Zeit, kommt Rat, kommt Handlungsbedarf!
Es sollte aber nicht nur irgendein Stasi-Film werden.
Laila Stieler hatte schon 2006 mit dem Drehbuch begonnen, es hieß oft: Kennt keiner, guckt keiner! Im August diesen Jahres lief "Gundermann" nun endlich in den deutschen Kinos an. Der Film zeigt ausgewählte Episoden aus dem Leben Gundis, gespielt von Alexander Scheer ("Sonnenallee"), zentral das Bekanntwerden seiner Tätigkeit als Inoffizieller Mitarbeiter der Stasi. In Rückblenden wird erzählt, wie er sich als überzeugter Kommunist am DDR-Staat rieb, wie er mit seiner Frau Conny zusammenfand wie er Inspirationen für seine Lieder gewinnt, während er mit dem überlebensgroßen Schaufelbagger Braunkohle abbaut.
Von jedem Tag will ich was haben, was ich nicht vergesse … gibt Einblicke in die Entstehungsgeschichte des Films. Zu Interviews mit Dresen, Stieler und Scheer gibt es Ausschnitte aus dem Drehbuch. Der Film bietet aber nur den Anlass, sich im Detail mit der Vater-Sohn-Beziehung, der Stasi-Zusammenarbeit, der Brigade Feuerstein u.v.m. zu befassen.
Es mag ein Zufall sein, dass mich - als Wessi - Gundis Werk schon recht früh und zu seinen Lebzeiten angesprochen hat. Die langanhaltende Wirkung bis heute - und vielleicht auch Renaissance - zeigt jedoch, dass die universalen Belange das spezifisch Ostdeutsche überwinden kann.
Das beste Beispiel für mich ist denn auch der Niederländer Johan Meijer, der sich schon des öfteren des Liedguts von Gundi angenommen hat. Auf seiner aktuellen CD singt er zum Beispiel das "Traurige Lied vom sonst immer lachenden Flugzeug", und vor genau 10 Jahren hat er unter dem Titel "Hondsdraf" (der niederländischen Bezeichnung für die Pflanze, die bei uns als Gundermann bekannt ist) sogar ein ganzes Album ins Niederländische übertragen.[38]
Meijer war in diesem Juni der Initiator eines Projekts, bei dem Liedermacher aus ganz Europa Gundi-Songs in ihre Landessprache übersetzen sollten. Als Ergebnis soll noch eine Broschüre veröffentlicht werden; wir sind gespannt.
So möchte ich denn nun mit einem meiner persönlichen Lieblingstexte enden:
ich mache meinen Frieden mit dir du großer gott ich nehm was du mir bieten kannst leben oder tod ich will mich nicht mehr drängeln und will mich nicht verpissen und wer mich angeschissen hat will ich auch nicht mehr wissen so fülle meinen becher ich trink ihn bis zur neige nun gib mir schon mein kreuz - oder eine geige ich mache meinen frieden mit dir du kleine mücke du kannst mich ruhig pieken ich werd dich nicht zerdrücken du kannst mich ruhig stechen ich werde dich nicht schlagen du mußt mir nur versprechen es deinen kumpels nicht zu sagen nun hau schon deinen spund rein und laß uns einen heben ich fülle auf mit rotwein so könn' wir beide leben
1928 kam der Leipziger Theodor Trampler als Arbeitsemmigrant nach New York. In den 15 Monaten seines Aufenthalts schrieb er fast 200 Briefe an Familie und Freunde zuhause. Außerdem fotografierte der Buchbinder und verkaufte die Bilder an deutsche Einwanderer in den USA und Zeitungen in Deutschland. 90 Jahre später wandelte Ulrich Balß, bekannt als Chef von Jaro Medien, auf den Spuren seines Großvaters. Das Resultat ist eine Kombination aus Bildband, Zeitgeschichte, Biographie - und Musik, dem Band liegt eine CD mit Einspielungen von New Yorker Musikern bei.
Dies ist "Past & Present" Nummer 2 nach dem gelungenen, der Fado-Musik wegen auch für FolkWorld-Leser interessanten Fotoband über Lissabon.[60]
Theodor Trampler & Ulrich Balß, NEW YORK - Past & Present. Jaro Medien GmbH, 2018, ISBN 978-3-9813-5093-7, 160 S, €30,- (inkl. CD)
Nach dem Erfolg des ersten Weihnachtsliederbuches "Gitarrespielen zur Weihnachtszeit" folgt nun eine Fortsetzung mit Weihnachtsliedern für Fortgeschrittene. Der erste Teil enthält dreizehn Duette (auch mit anderen Instrumentalbesetzungen denkbar); elf dieser Stücke erscheinen im zweiten Teil als Solobearbeitungen. Schwierigkeitsgrad mittelschwer bis fortgeschritten; eine grundlegende Ausbildung im Akkord- und Solospiel sollte vorhanden sein.
Thomas Hübner & Tilman Steitz, Mit der Gitarre durch die Weihnachtszeit für Fortgeschrittene: 24 Weihnachtslieder-Bearbeitungen für Gitarre - Duette und Solos. Acoustic Music FP8183, 2018, 32 S, €14,90
Photo Credits:
(1)-(2) Gundermann - Der Film,
(3ff) Book/CD Covers,
(6) Gerhard Gundermann
(from website/author/publishers).