Denn missmutig und dauerpessimistisch lassen sich diese verrückten Zeiten noch viel weniger ertragen. Mit „Zay Freylekh“ feiern Dobranotch, die wilde Klezmer- und Balkan-Band aus Sankt Petersburg, die Liebe zum Leben in schwierigen Zeiten. Und wie ließe sich das besser bewerkstelligen als mit einem ganzen Album voller Klezmer-Lieder?
Die Multikulti-Truppe wird in ihrer Heimat häufig zu Feierlichkeiten wie Hochzeiten in den jüdischen Gemeinden eingeladen. Und was wäre eine jüdische Hochzeit ohne Tanz? Richtig, gar nichts! Einige der auf dem Album versammelten Songs sind über 100 Jahre alt. Und haben an Frische nichts eingebüßt! Übrigens: Ein „Freylekh“ bezeichnet generell einen osteuropäischen jüdischen Tanz, der vor allem bei Hochzeiten gespielt wird.
Eine besondere Entdeckung dabei ist das fidele „Birobidzhan“, das im Original aus dem sowjetischen Film „Die Glückssucher“ aus dem Jahr 1936 stammt. Damals hatte Genosse Stalin die blendende Idee, die russischen Juden in Birobidhzan anzusiedeln, einer neu gegründeten autonomen Region im sehr Fernen Osten Russlands. Der Film sollte den Zuzug jüdischer Siedler ankurbeln. Zeitweilig war dieser Song unter den sowjetischen Juden sehr beliebt. Eines der Bandmitglieder fand die alte Single kürzlich unter den Hinterlassenschaften seines Großvaters!
Weiteres Highlight ist „Seni Severim“, eine sephardische Version eines ursprünglich aus der Türkei stammenden Volksliedes mit der famosen Marina Saloeva als Gastsängerin. Hier dürfen auch die Balkan-Einflüsse bei Dobranotch aufblitzen.
Fröhlich geht es auch bei „Drey Dreydl“ zu: Der Song stammt aus dem Repertoire des berühmten Kantors Moyshe Oysher, und wird vor allem zum jüdischen Fest Hanukkah aufgeführt. Hanukkah ist das jüdische Lichterfest zu Erinnerung an die Wiedereinweihung des zweiten Tempels in Jerusalem.
Sehr zu Herzen geht dagegen „In Droysen Geyt A Regen“, der die traurige Mär eines jiddischen Diebes erzählt, der fast sein gesamtes Leben hinter Gittern verbracht hat, gefolgt von der wunderbar einprägsamen Melodie „Strannik“ (Wanderer) des Komponisten Emi Kroitor, der als einer der letzten noch lebenden Vertreter des traditionellen osteuropäischen Klezmers gilt.
Mit „Zay Freylekh“ feiern Dobranotch das Leben und die Klezmer-Tradition gleichermaßen. Ein Fest für alle Sinne!
Dobranotch bestehen bereits seit mehr als 20 Jahren und haben fast ein Dutzend Alben eingespielt. Die Band blickt mit Vorliebe auch über den Tellerrand. Ihr Cover vom Rammstein Überhit »Du Hast« bringt es auf anderthalb Millionen Views auf Youtube. Live mischt sich die Band gerne auch unters Volk, so wie es ihre Vorfahren vor 100 Jahren gemacht haben!
Photo Credits:
(1)-(2) Dobranotch
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