Immer wieder neuen Menschen begegnen, in einem fremden Bett schlafen und dennoch ein Heimatgefühl mit im Gepäck zu haben. Das ist für die meisten Musiker Teil ihres Lebens. Für die meisten Besucher des TFF ist ständiges Unterwegs sein vermutlich eher die Ausnahme. Die jährliche Reise nach Rudolstadt aber ist ein geliebtes Ritual geworden und der schönste Moment der, wenn hinter der Saale-Biegung die Heidecksburg ins Blickfeld kommt. Das bedeutet nämlich, vier Tage lang zuhause sein unter Fremden und genau dieses Gefühl für eine Weile mit den Musikern auf den vielen Bühnen des Festivals zu teilen. Ein Höhepunkt des TFF ist die Vergabe des Deutschen Weltmusikpreises, die RUTH.
Globale RUTH: Al Andaluz Project
Für die Globale RUTH geeignete Kandidaten zu finden ist oft schwierig. Es müssen Musiker anderer Länder sein, die mit ihrer Kultur in Deutschland Fuß gefasst haben, hier leben und spieltechnisch ein hohes Niveau erreicht haben. Das Al Andaluz Projekt ist eine gemeinschaftliche Arbeit des Münchner Ensembles Estampie - Spezialisten für frühe Musik - mit Musikern der spanischen Gruppe L’Ham de Fóc.
Im Al Andaluz Projekt treffen deutsches und spanisches Mittelalter sich im 21. Jahrhundert: Alte Lieder aus dem maurisch regierten Spanien, aus einer Zeit, die bekannt war für religiöse Toleranz, Wohlstand und Gelehrsamkeit, als sich drei wichtige Kulturen moslemischer, jüdischer und christlicher Ausprägung noch friedlich begegneten. Wo der Austausch der Ideen über Glaubensgrenzen hinweg die Regel und nicht die Ausnahme war.
Diesen Austausch macht das Al Andaluz Projekt erfahrbar und hat damit die Jury überzeugt.
Deutsche RUTH: Die Strottern & Blech
Wer „Die Strottern“ einmal erlebt hat, wird sie nicht mehr los. Ihre Wiener Lieder nisten sich ein in Herz und Hirn. Im alten Wien war ein Strotter ein Gauner, ein Landstreicher, einer, der nach Verwertbarem sucht.
Klemens Lendl, Geige und David Müller, Gitarre sind „Die Strottern“. Sie singen und spielen Gstanzln, Couplets und Tänze aus den letzten vierhundert Jahren. Sie schwimmen ganz oben auf der neuen Wiener-Lied-Welle und beweisen: Das Wiener Lied funktioniert auch bestens außerhalb der Donau-Metropole. Denn diese beiden musikalischen Gauner haben es klug aufpoliert und zukunftsfähig gemacht haben, musikalisch mit Elementen des Jazz und Blues, bissig humorvoll in den Texten.
Ihr jüngstes Projekt, die Strottern in Blech, hat die Jury endgültig davon überzeugt, dass die Deutsche RUTH 2012 den Gaunern aus Wien gehören sollte.
Ehren RUTH – für das musikalische Lebenswerk: Hannes Wader
Für die Jury 2012 gab es wenig Diskussion, als es um die Vergabe der RUTH für das Lebenswerk ging: Hannes Wader bekommt sie. Er zählt zu den bekanntesten Liedermachern Deutschlands. „Heute hier, morgen dort“ ist auch bei denen zum Ohrwurm geworden, die mit Waders Liedern sonst wenig am Hut haben. „Es ist an der Zeit“ aus dem Jahr 1974 wurde regelrecht zur Hymne der Friedensbewegung.
Kritisch und streitbar, sensibel und poetisch steht er bis heute auf der Bühne, die er sich oft mit Reinhard Mey und vor allem Konstantin Wecker teilt. Als einer der ersten hat er alten plattdeutschen Liedern neues Leben eingehaucht und sie dem drohenden Vergessen entrissen, später sogar Eichendorff und Franz Schubert gesungen.
Im Juni wird er seinen 70sten Geburtstag feiern können. Ein Grund mehr, ihn mit der RUTH für sein Lebenswerk auszuzeichnen.
Ehren-RUTH für die besondere Expertise: Gertrude Degenhardt & Jürgen B. Wolff
Mit Gertrude Degenhardt und Jürgen B. Wolff sollen zwei Menschen ausgezeichnet werden, die dem Folk und der Weltmusik seit Jahrzehnten ein grafisches Gesicht gegeben haben.
Gertrude Degenhardts ist ein Kind des Westens, geboren in New York und aufgewachsen in Berlin. In den 1970er und 1980er Jahren hingen ihre bunten und ungezähmten Musikergestalten in fast jeder alternativ gedachten Kneipe und WG. Halbnackte Geige spielende Frauen oder kauzige Trommler hat sie gezeichnet, für Plakate und Schallplattencover, allesamt Vagabunden und Stellvertreter eines Lebensgefühls, das sich dem Mainstream verweigert.
Jürgen B. Wolff stammt aus dem sächsischen Plauen und ist seit 1990 Chefgrafiker des TFF Rudolstadt. Seine Plakat-, Programmheft, CD, Bühnen- und Stadtgestaltung bescheren dem Festivals ein unverwechselbares Alleinstellungsmerkmal. Dass Wolff parallel dazu Musiker ist, Mitbegründer des Club Malzhaus in Plauen und der Gruppe Folkländer in Leipzig, hat sicher dazu beigetragen, dass er den Tönen des TFF ein so kongeniales und unverwechselbares Gesicht geben konnte.
Photo Credits:
(1) Al Andaluz Project,
(2) Die Strottern & Blech,
(3) Hannes Wader
(by RUTH - Der Deutsche Weltmusikpreis);
(4ff) Posters, CD Covers etc (by Gertrude Degenhardt
and Jürgen B. Wolff).