Ausgabe 24 12/2002
FolkWorld CD-Besprechungen
Lila Downs "Border - La Linea"
Label: Peregrina
Music; 2002; Spielzeit: 64.06 min
Auch wenn mich Musik aus Europa am meisten fasziniert, kommt es doch immer mal
wieder vor, dass ein nicht-europäischer Musiker mich voll in seinen, oder in
diesem Fall ihren Bann zieht. Lila Downs ist eine solche Musikerin - die junge
mexikanische Sängerin hat mich mit diesem Album sofort überzeugt. "Border" ist
eine CD voller Emotion mit vielen verschiedenen Einflüssen - ein insgesamt sehr
spannendes Werk!
Lila hat einen kulturell interessanten Hintergrund, der auch in ihrer Musik
zu finden ist: Ihr Vater ist schottisch-amerikanischer Abstammung, ihre Mutter
indianischer; aufgewachsen ist Lila in Oaxaca in den Bergen der Sierra Madre
im Süden Mexikos. Sie hat Musik und Anthropologie in Minnesota und Oaxaca studiert.
Lila hat eine äußerst ausdrucksstarke Stimme voller Emotionen - meist wird sie
eher kräftig und fordernd als ruhig eingesetzt. Die meisten Texte sind in spanischer
Sprache, zwei in Englisch. Eines ist ein sehr interessant arrangiertes Medley
aus 'Pastures of Plenty', 'This land is your land' von Woody Guthrie und 'Land',
das Lila mit ihrem musikalischen Partner Paul Cohen geschrieben hat, und schliesslich
zwei Teile in indianischen Sprachen (Zapotec und Maya). Viele der Lieder, die
zum Teil auch von zeitgenössischen Songwriters stammen, haben neben musikalischer
Ausdrucksstärke auch eine Aussage. Lila singt oft von Erfahrungen als Immigrant
und auch mal von der Liebe - oft stecken interessante Geschichten in den Liedern.
Neben den hervorragenden Liedern ist auch die Arrangierung und die Auswahl der
Musiker auf der CD außergewöhnlich. Die Musik wandert zwischen traditionellen
Elementen Mexikos, modernen Einflüssen, Weltmusik und Jazz. Das Zusammenspiel
der Instrumente ist zum Teil fantastisch - Harfe (Celso Duarte), Saxophon, Piano-Keyboard
(Paul Cohen), die ausgefallene Perkussion von Carlos Rivarola und Carlos Tovar,
und Bassist Chuco Mendoza.
Lila ist eine herausragende Neuentdeckung für mich - ich denke, sie ist auf
dem Weg in eine herausragende musikalische Zukunft...
Band/Musiker-Homepage: www.liladowns.com,
Kontakt zum Label in Deutschland: info@peregrinamusic.de
Christian Moll
Duivelspack "Margaritas ante porcos"
Label: Eigenverlag; 2002; Spielzeit: 73.58
min
'Perlen vor die Säue' - bei der deutschen Übersetzung des lateinischen Namens
dieser CD fragt man sich ja schon, was sich die Spielleut' zu Theotmalli bei
diesem Titel denken: Bin ich nun als Hörer die Sau - und das Machwerk ist die
Perle? Naja ist ja auch egal - jedenfalls sind die Fotos im Booklet und auf
dem Cover schon fast allein Grund genug sich diese Scheibe anzuschaffen. Man
kann auch in den Bildern die Flucht der Spielleut vor den Schweinen gut nachvollziehen...
Nach soviel Einleitung nun aber zur Musik. Duivelspack sind die drei Musiker
Arnulf der Puster (Arne Heger), Musicus Varus (Daniel Wahren) und Marquard vom
Lindenbaum (Marcus Linnemann), die uns mit viel Gesang (alle drei singen) und
Schalmei, Cornamusen, Flöten, Gemshorn, Chalumeau, Schlagwerk, Fiedeln, Gamben
und Gitarrenlaute in die musikalische Vergangenheit entführen.
Die Stücke sind zum Teil traditionell, zum Teil von Liedermachern der Vergangenheit,
eins ist von der Mittelalterfolkrockband Horch und viele sind auch von den Musikern
der Band selbst geschrieben worden. Die Musik ist immer akustisch, klingt zum
Teil recht authentisch mittelalterlich, man hört aber auch stark Duivelspacks
eigenen Stil raus, den sich die drei gut erarbeitet haben.
Die Sprache der Lieder ist (bis auf die französiche Ausnahme 'Belle qui tien
ma vie') deutsch. Die Arrangierung ist oft sehr druckvoll und nach vorne gerichtet
- und das obwohl sie rein akustisch und stark auf den Gesang ausgerichtet ist.
Duivelspack zeigen mal wieder sehr schön, dass es nicht immer Mittelalterrock
sein muss um gut Stimmung zu machen...
Hoffentlich kommen die drei auch mal in meine Gegend - ich würde doch auch mal
gerne von einer Bühne aus ins Mittelalter geführt werden.
Band/Musiker-Homepage: www.duivelspack.de,
Kontakt: kontakt@duivelspack.de
Christian Moll
Folkabbestia "Il Senso della Vita"
Label: Weltwunder Records; CD WW 203; 2002;
Spielzeit: 58.53 min
Schnelle, rauhe und zum Teil recht harte aber immer auch sehr melodiöse Musik
irgendwo zwischen Traditionen aus Süditalien, aus Slawischen Regionen, Irish
Folk, Ska, Tarantella, Polka und und und - das ist Folkabbestia. Die 6 jungen
Leute kommen aus Puglia, einer Stadt im äußersten Süden Italiens, direkt gegenüber
der Albanischen Küste. "Der Sinn des Lebens" ist ihre internationale
Debut-CD - nun auch auf einem kleinen aber feinen deutschen Label.
Die Italiener kombinieren traditionelle akustische Instrumente mit modernen:
Lorenzo Mannsarini singt und spielt Gitarre, Michele Sansone das Akkordeon,
Guiseppe Porsia flötet und spielt Gitarre, Francesco Flore ist der Bassist der
Gruppe, Nicola de Lision macht Perkussion und schliesslich ist da noch der Geiger
Fabio Losito. Auf der CD kommen aber noch ein paar Gäste hinzu - stark zu hören
sind die schönen Elemente des Trompeters Cesare Dell' Anna.
Das meiste von ihnen interpretierte Material sind Eigenkompositionen - die CD
ist insgesamt abwechslungsreich, viele Titel sind schnell, rauh und laut, es
gibt dazwischen aber immer mal ruhigere Unterbrechungen.
Folkabbestia sind auf jeden Fall orginell, laut und eigenwillig - eine der jungen
wilden Bands Europas, die ihren eigenen Stil in neu in die Europäischen Traditionen
einbringen.
Band/Musiker-Homepage: www.folkabbestia.com,
Kontakt: annibalebartolozzi@uprfolkrock.com,
Kontakt zum Label: weltwunder@t-online.de
Christian Moll
Kris Krawczyk & Goran Bregovic "Kris & Goran"
Label: BMG; 74321 930232; 2001; Spielzeit:
42.27 min
Tja - aus dem Booklet kann man nicht allzu viel über die beiden Musiker erfahren.
Kris Krawczyk scheint ein polnischer Sänger zu sein - ich denke, er wird sicherlich
in Polen ziemlich bekannt sein. Der zweite Name ist mir dann aber doch schon
ein Begriff - Goran Bregovic, der Serbe hat sich mit seiner Musik, seinen Arrangierungen,
seiner Zusammenarbeit mit anderen bekannteren Musikern und schließlich der Filmmusuik
die er verfasst hat einen sehr hohen Bekanntheitsgrad erspielt.
Goran hat fast bei allen Stücken die Musik selbst komponiert, alles arrangiert
und auch noch viele der Texte verfasst, Kris ist der Hauptsänger auf diesem
Album, er hat ein paar Hintergrundsänger zur Seite, teilweise ist auch ein kleiner
weiblicher Chor zu hören - welche Musiker, oder Instrumente an diesem Album
noch beteiligt sind, kann man aus dem Booklet nicht erfahren. Jedenfalls ist
eigentlich immer ein voller Sound (aus vielen traditionellen und modernen Instrumenten)
gegeben, der mir teilweise etwas zu überproduziert wirkt.
Ein nettes Album, das polnischen Gesang mit Balkanmusik verbindet.
Christian Moll
Davy Steele "Chasing Shadows"
Label: Temple
Records; COMD 2071; 2002; Spielzeit: 53.03 min
Davy Steele war ein bedeutender Schottischer Sänger, der in einigen sehr bekannten
schottischen Bands involviert war, u.a. Clan Alba, Caledon und Battlefield Band.
Als Davy vor gut zwei Jahren nach kurzer schwere Krankheit viel zu jung gestorben
ist, war dies ein großer Verlust für Schottland - und alle anderen Orte in denen
Davy sonst ein Garant für gute Stimmung war.
Dieses Album ist nun von dem schottischen Tempel-Label, dem Label der Battlefield
Band, neu aufgelegt worden. Die Orginalausgabe erschien im Jahre 1997, ein paar
Jahre, bevor Davy Mitglied der Batties wurde.
Davy präsentiert auf Chasing Shadows eine Auswahl wunderschöner ruhiger schottischer
Balladen. Einige sind traditionell, das Robert Burns Stück darf natürlich auch
nicht fehlen, und einige hat Davy auch selber geschrieben. Davy läßt sich auf
dem Album von einigen seiner schottischen Freunde begleiten - Aaron Jones spielt
Saiteninstrumente, Mike Trave Perkussion, Brian McAlpine Piano, Alan Henderson
Dudelsack, Geige und Whistle und seine Frau Patsy Seddon und Marc Macmaster
Harfe. Bei allen Stücken steht der Gesang aber im Mittelpunkt.
Es ist mir eine Freude mal wieder in diese sehr schöne, ruhige CD zu hören.
Davy wir werden dich nicht vergessen!
Christian Moll
Wolfstone "Almost an island"
Label: Eigenverlag; 2002; Spielzeit: 44.08
min
Ich bin mir - auch nachdem ich diese CD schon sehr oft gehört habe - nicht ganz
sicher ob ich nun schreiben soll: Wolfstone sind wieder voll da!
Gefallen tut mir die CD auf jeden Fall - ansonsten hätte ich sie nicht so oft
gehört...
Wolfstone waren vor einigen Jahren eine meiner Lieblingsbands. Sie hatten dann
einige Probleme mit Tournee-Kosten, ihrem Plattenlabel und auch mit einigen
Umbesetzungen der Band. In diesem Zeitraum habe ich die Wolfies dann etwas aus
den Augen verloren.
Nun haben sie also mal wieder ein neues Album auf den Markt gebracht - Wolfestone
sind heute: einer der genialsten Geiger Schottlands Duncan Chisholm, Wayne MacKenzie
am Bass, der Dudelsackspieler Stephen Saint und schließlich der Sänger und Gitarrist
Stuart Eaglesham. Auf diesem Album tauchen noch folgende Gäste auf: Alan Cosker
an den Drums, Phil Cunningham an Box und Keyboard, Cous Cous MacAfferty an der
Citter und Brian MacNeill auf der Tambourine.
Die Mischung besteht nach altbewährter Wolfstone-Traditon aus einigen schnellen
instrumentalen Folkrocknummern , die von der Geige oder dem Dudelsack (oder
auch mal dem Gastakkordeon) angeführt werden, hinzu kommen dann einige Lieder,
die nun alle Stuart Eaglesham singt. Am Anfang fand ich die Lieder etwas dünn
- aber mit der Zeit gefallen sie mir immer besser...
Ich weiss nicht, wieso ich mich nicht zu einem uneingeschränkten 'Sie sind wieder
da' entscheiden kann - vielleicht lege ich an eine ehemalige Lieblingsband zu
hohe Ansprüche an. Insgesamt muss ich aber sagen, dass ich sehr gespannt bin
, was mit den Wolfies in Zukunft geschieht - sie sind auf jeden Fall wieder
auf dem richtigen Weg.
Band/Musiker-Homepage: www.wolfstone.co.uk
Christian Moll
Revista do Samba
Label: Traumton
Records; Indigo CD 1841-2; 2002; Spielzeit: 43.53 min
Das Trio der Brasilianer Beto Bianchi, Leticia Coura & Vitor da Trindade
nennt sich Revista do Samba - der Samba Rückblick. Und ihr
Name ist Programm, die drei Musiker interpretieren den Samba der 20er bis 60er
Jahre. Somit finden sich also keine Eigenkompositionen sondern ausschliesslich
neue Interpretationen von Klassikern und eher unbekannten Stücken.
Die Arrangierungen sind eher minimalistisch - Beto spielt Akustische Gitarre,
Leticia singt und spielt Canvaquinho und Vitor ist der Perkussionist des Trios
- die beiden Jungs unterstützen Leticia auch immer mal indem sie ebenfalls
singen. Alles ist rein akustisch und klingt einerseits nostalgisch anderseits
aber auch sehr frisch entspannt und fröhlich.
Das nette Booklet erfreut sicherlich die Musiker - neben den Brasilianischen
Texten finden sich auch die Gitarrengriffe wieder.
Eine schöne CD, die einen auch im Herbst / Winter in eine sommerliche Stimmung
versetzen kann.
Band/Musiker-Homepage: www.revistadosamba.com.br,
Kontakt: revistadosamba@uol.com.br,
Kontakt zum Label: traumton@aol.com
Christian Moll
Benito Lertxundi "Nere Ekialdean"
Label: Elkar;
KD-622; 2002; Playing time: 50.35 min
Benito Lertxundi ist ein Sänger aus dem Baskenland, er hat in einem Zeitraum
von 31 Jahren 13 Alben veröffentlicht. Benito ist ein Mann der eher ruhigen
Töne - seine Kompositionen sind oft sehr stimmungsvoll und insgesamt eher
nachdenklich. Um seinem Gesang eine gute Grundlage zu bieten, hat Benito 10
Gastmusiker zusätzlich ein Streichorchester und einen Chor ins Studio geholt.
Instrumente auf dem Album sind unter anderem: Gitarre, Piano, Synths, Cello,
Violine, Flöte, Schlagzeug, Oboe.
'Nere Ekialdean' ist ein Album mit dem man es sich vor dem Kamin gemütlich
machen kann.
contact to label: musika@elkarlanean.com
Christian Moll
Carmelo Salemi "Hybla"
Label: FolkClub
EthnoSuoni; ES 5320; 2002; Spielzeit: 43.30 min
Die CD Hybla des Sizilianers Carmelo Salemi ist einer kleinen Flöte der
Friscalettu gewidmet. Carmelo hat eine innige Beziehung zu diesem unscheinbaren
Instrument - diese Flöte hat ihn seit seiner Kindheit begleitet. Er hat
durch sie gelernt, die Welt der wahren Töne zu entdecken. Heutzutage ist
die Friscalettu irgendwie aus dem Bereich der Folkszene herausgedrängt
worden. Carmelo versucht sie mit dieser CD wieder reinzuführen.
Die Flöte ist auf diesem Album allgegenwärtig - hinzu kommen eine
Schar von weiteren Instrumenten: Carmelo selbst spielt auch Gitarre, Salem spielt
Darbouka, Cajon, Djembe, Talking Drum, Tammorra, Udu und Rain-Stick, Faisal
Taher singt, und Riccardo Gerbino spielt Berimbau, Riq und Tinya.
Ein schönes Album, dass einen irgendwie in die Vergangenheit Siziliens
führt... Aber Achtung - wenn man nicht in der richtigen Stimmung ist, kann
einem die kleine Flöte auch mal ganz schön auf die Nerven gehen.
Kontakt: ddarshan@eudoramail.com,
Kontakt zum Label: info@folkclubethnosuoni.com
Christian Moll
Bärengässlin "Walther von der Vogelweide"
Label: Pläne;
88883; 2002 (Erstveröffentlichung 1980); Spielzeit: 34.40 min
Nachdem im letzten Jahr die Platten "Frölich geschray so well wir machen"
und "Der Lieb zu gefallen" mit den Liedern der historischen Musiker Oswald vom
Wolkenstein und Carl Michael Bellmann (Folkworld-Review)
wiederveröffentlicht wurden, erschien nun auch die Platte, auf der sich
die Gruppe mit Walter von der Vogelweide (1170-1230) befasst, einem der bedeutensten
Lyriker des Mittelalters. Im Gegensatz zu vielen aktuellen Bands, die altes
Liedgut mit modernen Einflüssen vermischen oder 'mittelaltermarktgerecht'
aufbereiten, hatten Bärengässlin - erfreulicherweise - das Ziel, die
Musik historischer Künstler möglichst authentisch wiederzugeben. Ein
Ziel, das gerade bei Walther von der Vogelweide sicherlich sehr mühsam
war, schließlich ist ein Großteil seiner Lieder verloren gegangen.
Doch es ist Michael Korth und Johannes Heimrath gelungen, genug Material für
einen Platte zusammenzutragen - eine Platte, die man Freunden alter Musik unbedingt
empfehlen kann.
Pläne http://www.plaene-records.de,
Postfach 104151, 44041 Dortmund, Tel.: 0231/9130250, Fax.: 0231/9130255, info@plaene-records.de
Tom Kamphans
'King' Naat Veliov & the original Kocani
Orkestar "Gypsy Folies"
Label: Pläne;
88883; 2002; Spielzeit: 66.14 min
"Eine Platte, um Besuch zum Gehen zu überreden" kommentierte einer meiner
Bekannten diese Platte. Auf ausschließliche Popkonsumenten mag das zutreffen,
bei aufgeschlosseneren Gästen kann auch prompt das Gegenteil passieren
und sie bleiben länger, um die Platte zuende zu hören. In der Tat
wirkt die Musik der mazedonischen Brassband beim ersten Hören sehr ungewohnt
für Hörer die noch nicht mit diesem oder anderen Vertretern dieser
Musikrichtung zu tun hatten, aber umso faszinierter dürfte man von den
Rhythmen und Melodien dieser Musik sein, deren Wurzeln in der traditionellen
mazedonischen Musik liegen - Musik für Feierlichkeiten aller Art, Taufen,
Hochzeiten, aber auch Beerdigungen - die sich aber nicht zuletzt durch Veliovs
Zusammenarbeit mit Künstlern wie Goran Bregovic, Emir Kustorica oder verschiedenen
Jazzmusikern weiterentwickelt hat und auch einem anspruchsvollerem Publikum
sehr viel zu bieten hat. Zuletzt sei noch erwähnt, daß Musiker aus
Kocani offensichtlich nicht sehr einfallsreich sind, was Bandnamen angeht. So
gibt es eine zweite Band, das Kocani Orkestar, das aus dem Original Kocani Orkestar
hervorgegangen ist und von denen auch kürzlich eine neue Platte erschienen
ist. Leider uns lag diese nicht zur Rezension vor - ein Vergleich der beiden
dürfte sehr spannend sein.
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Tom Kamphans
Liederjan "Wir 3"
Label: Pläne;
88883; 2002; Spielzeit: 53.37 min
Statt 'Wir 3' könnte die Platte auch 'And still they are three' heissen,
denn nach wie vor ist Liederjan ein Trio. Jedoch mal wieder in neuer Besetzung:
wie üblich dabei sind Jörg Ermisch und Anselm Noffke, neu ist Jürgen
Leo, der Wolfgang Rieck ersetzt. Verständlich, daß in der neuen Besetzung
auch ein neuer Tonträger veröffentlicht werden muß. Geblieben
ist die von Liederjan gewohnte Mischung aus Folkstücken, nachdenklichen
Balladen und Songs mit skurilen bis bissigen Texten - egal ob sie die Vergänglichkeit
des Liebesglücks betrauern ("Das Liebeslied tönt fieberfrei, wir sind
jetzt Steuerklasse drei"), über den englischen Hochadel und deutsche Handwerker
lästern oder Schubladendenken anprangern ("Mag er noch so freundlich schaun
kann man dem Araber trauen, explodieren seine Fladen auf ein Zeichen von Bin
Laden?") - die drei von Liederjan bestechen durch treffende Texte und gekonnte
Komposition. Und natürlich erweisen sie sich einmal mehr als Musiker der
Meisterklasse auf jedem ihrer Instrumente - von der Singenden Säge bis
zur Geige.
Pläne http://www.plaene-records.de,
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Tom Kamphans
Beppe Gambetta "Blu di Genova"
Label: Felmay;
2002; 12 Tracks; Spielzeit: 43:45 min
Als ich die CD von Beppe Gambetta ausgepackt habe, freute ich mich auf bodenständige
italienische Musik. Ich weiß, dass Gambetta eine große Vorliebe für die amerikanische
Musik pflegt. Zahlreiche Konzerte mit amerikanischen Akustikmusikern ließen
ihn quer durch die U.S.A. reisen. Der Flat-Pick-Gitarrist Gambetta hatte in
den letzten Jahren der Neunziger zunehmend nach seinen Wurzeln gesucht, die
in Ligurien liegen. So nährte der Titel der neuen CD "Blu di Genova" irrtümlich
die Vermutung, ein italienisches Werk in den Händen zu halten.
Als ich die CD von Beppe Gambetta ausgepackt habe, freute ich mich auf bodenständige
italienische Musik. Ich weiß, dass Gambetta eine große Vorliebe für die amerikanische
Musik pflegt. Zahlreiche Konzerte mit amerikanischen Akustikmusikern ließen
ihn quer durch die U.S.A. reisen. Der Flat-Pick-Gitarrist Gambetta hatte in
den letzten Jahren der Neunziger zunehmend nach seinen Wurzeln gesucht, die
in Ligurien liegen. So nährte der Titel der neuen CD "Blu di Genova" irrtümlich
die Vermutung, ein italienisches Werk in den Händen zu halten.
Im ganzen gesehen, keine aufregende CD, die Gambetta da vorlegt, aber durchaus
ein angenehmer Wegbegleiter.
Kontakt zum Label: info@felmay.it
Karsten Rube
Atahualpa Yupanqui "La paloma enamorada"
Label: Pläne;
88875; 2002
Der argentinische Gitarrist, Volkskünstler und Poet Atahualpa Yupanqui weilte
viele Jahre seines Lebens im Exil. Argentinien litt unter den Stiefeltritten
der Militärjunta, als Yupanqui 1977 in Köln ein Konzert gab, das einen Querschnitt
aus seinem Repertoire darstellte. Ein Repertoire, das fünfzig Jahre leidenschaftlicher
Hingabe zur Musik Lateinamerikas umfängt.
Fünfundzwanzig Jahre nach diesem Konzert und zehn Jahre nach Yupanquis Tod erinnert
der Pläne Verlag mit der Veröffentlichung dieses Konzertes auf CD an diesen
Künstler.
Mit dem unverwechselbaren Klang seiner Gitarre, seiner rauchigen und warmen
Stimme, mit der er jedes Lied umfassend ansagt und einer Stimmung, die auch
nach einem Vierteljahrhundert noch gefangen nimmt, erscheint mir dieses Album
wie ein akustisches Denkmal für einen der wichtigsten Vertreter der Musik Lateinamerikas.
Kontakt zum Label: info@plaene-records.de
Karsten Rube
Jony Iliev & Band "Ma maren ma"
Label: Asphalt
Tango Records GmbH; 2002; 13 Tracks; Spielzeit: 46:57 min
Diabolisch blickt er vom CD-Cover, der bulgarische Gipsy-Musiker Jony Iliev.
Auf den ersten Blick muss ich an einen durchgeknallten Apostel denken, der eine
eigenwillige Botschaft mit sich herumträgt. Vielleicht liege ich damit nicht
mal falsch.
Iliev stammt aus einem Ort im Südwesten Bulgariens. Dort pflegt man eine leidenschaftliche
Hingabe zur traditionellen Musik der Roma. Doch das genügte dem jungen Stimmwunder
Iliev nicht. Es zog ihn in die Hauptstadt Sofia, wo er durch Nachtclubs und
Restaurants tingelte, immer bereit neue Impulse aufzugreifen. Jahre später kehrte
er zurück, randvoll gefüllt mit Impressionen und der Bereitschaft musikalisches
Neuland zu beackern.
Das Ergebnis ist die Debüt-CD "Ma maren ma". Eine CD die weit über das Maß bekannter
Roma-Musik hinausgeht. Stellenweise beswingt, manchmal von experimenteller Besessenheit
getrieben, an anderer Stelle wieder von tiefer Melancholie und schließlich euphorisch
festlich, wie eine Hochzeit auf den Balkan. Iliev hat dabei einen eigenwilligen
Stil entwickelt. Irgendwo zwischen Roma-Klängen, Balkan-Brass, Folk-Pop und
Caféhaus-Swing. Sollte ich einen Namen dafür finden müssen, würde ich ihn Iliev-Sound
nennen.
Kontakt zum Label: records@asphalt-tango.de
Karsten Rube
Sakamoto/Morelenbaum "Casa"
Label: Sony-Music;
LC 06868; 2001; 16 Tracks + 2 Bonustracks; Spielzeit: 71:35 min
Die Faszination, die Japaner und Brasilianer gleichermaßen aufeinander ausüben,
entzieht sich völlig meinem logischen Verständnis.
Japan, ein Malocherland, klein mit enormen wirtschaftlichen Einfluss, ein Volk
mit einem zu beargwöhnenden Hang zur Reinrassigkeit und penibler Traditionsverwaltung,
deren einziger Ausbund an Vergnügen irgendwo zwischen abartigen Fernsehshows,
Pornos im Comicformat und Karaokeclubs liegt.
Dem gegenüber steht Brasilien, ein riesiges Land mit hoher Kriminalität und
noch höherer Armut, sowie einer importierten Vergangenheit. Die Brasilianer
selbst allerdings, sind ein Rassenkonglomerat aus allen Farben, die die Welt
aufbietet, ein Volk, wie es tanz- und vergnügungssüchtiger, freizügiger und
lasterhafter nicht sein könnte.
Beide Länder widersprechen sich und bis auf den gleichen tragischen Geschmack
an moderner Architektur verbindet sie eigentlich nichts.
Vielleicht liegt es aber gar nicht an der Kluft zwischen den Kulturen, dass
sich ausgerechnet einer der bekanntesten japanischen Künstler in die Musik des
bedeutendsten Vertreters der Bossa-Nova verliebt hat. Denn die Musik von Antonio
Carlos Jobim ist so beseelt von Liebe und Sehnsucht, das sie fernab jeglicher
kulturellen Zugehörigkeit jeden zu faszinieren vermag.
Ryuichi Sakamoto, der brillante Pianist und Schöpfer solch filmmusikalischer
Meilensteine, wie "The Last Emperor" und Zauberer spielerischer Sentimentalitäten,
wie sie auf seinem Album "Back to the Basic" zu hören sind, pflegt bereits seit
Jahren eine enge Freundschaft zum Hause Jobim. Nach dem Tod Jobims ließ ihn
dessen Frau an den Flügel des Meisters. Im Hause Jobim, seiner Casa, traf Sakamoto
auf Jacques und Paula Morelenbaum. Jacques Morelenbaum ist der langjährige Arrangeur
und Bandleader des exzellenten brasilianischen Sängers Caetano Veloso und nebenbei
einer der fähigsten Cellovirtuosen Brasiliens. Vorzüglich gelingt es ihm, die
Musik Jobims auf den Seiten seines Cellos tanzen zu lassen, während Sakamoto
mit seinem Klavierspiel Jobim neu zum Leben erweckt.
Dazu die Stimme Paula Morelenbaums. Mit ihrer Art die Lieder zu interpretieren
setzt sie genau dort an, wo Astrud Gilberto, die stimmliche Entsprechung des
Girls of Ipanema aufhörte. Und während man so hört, schwelgt und genießt, glaubt
man an das Wiedererstehen der Bossa Nova aus der Zeit von Stan Getz und Joao
Gilberto. Bei der Auswahl der Musik verzichteten die Musiker weitestgehend auf
die Cocktailbar- Klassiker, die in jeder Urlaubspension südlich des gemäßigten
Kontinentalklimas schlecht bis grausam hingerichtet werden. Vielmehr verarbeiteten
sie die B-Seiten der berühmten Hitsingles von "Ipanema" bis "Corcovado".
Dadurch wurde "Casa" ein Album, das viel mehr vom sentimentalen Jobim preisgibt,
als alle seine Hits.
Es ist ein melancholisch anmutendes Album, so wie es der Seele der Bossa-Nova
entspricht. Die Bossa Nova, die einzige Ausdrucksform für Melancholie in der
sonst so fröhlichen Natur der Brasilianer und damit seelenverwandt mit kapverdischer
Morna und portugiesischem Fado? Lusophone Sentimentalitäten an den Ufern des
Atlantik? Vielleicht ist das auch der eigentliche Grund, warum die Japaner so
verrückt nach dieser Musik sind.
Die Hoffnung auf etwas ungekünstelte Sentimentalität.
Karsten Rube
Das Blaue Einhorn "Lebenstanz Lieder,
Chansons und Tänze zwischen Hinken und Fliegen"
Label: Unicornio
Records; 2002; Spielzeit: 58:55 min; 17 Tracks; mit Texten und Infos
Das Blaue Einhorn hat für seine 4. CD den Eimer wieder Tief in den Brunnen
der Europäischen Musik hinabgelassen. Heraufgeholt haben sie "Lieder, Chansons
und Tänze zwischen Hinken und Fliegen"... Roma, Fado, Tango, Jaques Brel,
Klezmer, Hölderlin... und wieder sind Worte schwach um zu beschreiben,
was sich auf der CD (oder beim Konzert) abspielt. Zuhören und Erleben,
Durchdenken und gleichzeitig Tanzen Aufgehen im "Meer der Lieder, Geschichten
und Träume". Im Konzert und im CD-Begleitheft wird ein Faden Entrollt,
der die einzelnen Stücke zu einem Ganzen bindet. Am liebsten würde
ich die Texte aus dem dicken und spannenden CD-Begleitheft einfach abschreiben.
Aber dabei gingen die (Hand-)Schrift und die Zeichnungen verloren... Neu darin
eine kleine Bandgeschichte, Musikerportraits und Bezüge auf das vergehende
Jahr 2002. Schöne und hässliche Gedanken, skurrile und tiefsinnige:
"Es lebe die magische Verrücktheit des Versuchs einer beginnenden Liebe!"
"Neu" in der Band ist seit inzwischen über einem Jahr der Bassist Michael
"Schnorke" Burkhard. Die Gebrüder Andreas und Dietrich Zöllner an
Gitarre und Bauchgeige und Paul Hoorn mit Akkordeon, Trompete, Chalumean und
Stimme für die meisten Worte und Gesang machen das Einhorn komplett.
Einziger Wermutstropfen: Rauschen an den leisen Stellen der CD. Dennoch meine
Empfehlung wie schon bei den älteren CDs (siehe Folkworld Nr. 7 "Vida Nocturna"
und Nr. 13 "Gesänge aus verloren Gärten"): Ins Konzert gehen und CD(s)
kaufen!
Unicornio Records, Parkstr. 14, D-01465
Liegau-Augustusbad, Tel. +49/35 28/41 31 90, Fax +49/35 28/41 31 80, info@unicornio.de
Frank Jagusch
Zupfgeigenhansel "Liebeslieder"
Label: Verlag
'pläne' GmbH; 1984; Spielzeit: 39:35 min; 10 Tracks; mit Texten
Vor 18 Jahren sind sie auf LP erschienen. Nun wirken diese Lieder schon fasst
wie ein Blick in die Geschickte der deutschen Folkbewegung. Zu beiden Seiten
des eisernen Vorhangs bekannt setzten Thomas Friz und Erich Schmeckenbecher
Maßstäbe und Fundamente für das, was wir heute von jüngeren
Bands erleben. Schlicht-schöner Gesang zu Gitarre, Mandoline, Bouzouki
stellt das Gerüst. Die traditionellen Stücke prägten in dieser
Form mein Verständnis des deutschen Volksliedes. In "Nicht nur nebenbei"
schmecke ich einen Nachhall der Stimmung in der DDR...
Eine CD die Erinnerungen weckt und Sehnsüchte schürt. Ein Geschenk
nicht nur für alle Zupfgeigenhansel-Fans.
Verlag 'pläne' GmbH, PF 104151,
44041 Dortmund, Tel. +49/2 31/9 13 02 50, Fax +49/2 31/9 13 02 55, info@plaene-records.de
Frank Jagusch
Robert McCreedy "Streamline"
Label: Safe
House Records; Spielzeit: 32:51 min; 11 Tracks; ohne Infos und Texte
Das erste Soloalbum des vorher bei "The Volebeats" aktiven Robert McCreedy
kommt im Stile moderner amerikanischer Singer-Songwriter in unsere Ohren. Gitarrenlastige
Musik aus eigener Feder mit Texten die aus der Verarbeitung von durchlebten
Beziehungen entstammen. Einigelung, Aufbruch, Verlust und neue Liebe spiegeln
sich darin. Die stilistische Handschrift ist über die wechselnden Gastmusiker
eindeutig. "Down" und "Somethings Wrong" erinnern mich an alte psychedelisch
angehauchte Beatlesaufnahmen.
Eine kurzweilige Zusammenstellung, jedoch kein Konzeptalbum. Dennoch ein solider
Start für eine Solokarriere.
Safe House Records, P.O. Box 214,
Poultney, VT 05764, USA, Tel. +1/802-287-2000, Fax +1/802-287-2020, safehouse3@aol.com
Frank Jagusch
Schelmish "Codex Lascivus"
Label: Eigenverlag;
EBCL 0402 SCH; 2002; Spielzeit: 77.25 min
Das Mittelaltergenre hat ja nun einmal nur ein sehr eng begrenztes, überliefertes
Repertoire. Im Gegensatz zu anderen Kollegen lenkt das Bonner Oktett Schelmish
trotz des Namens weder durch gewagte Experimente ab (-> FW#8,
FW#18, FW#22),
noch gehört es zur Spaßmacherfraktion (-> FW#18).
Hinter dem "Codex Lascivus"
verbirgt sich eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Quellenmaterial, dennoch
ist genügend Spaß und Spielfreude dabei. Ist das Werk doch dem fiktiven Trifurcifer,
jenes Erzschelms, der ob seiner Macht von manchen zu den Dämonen, von anderen
zu den göttlichen Helfern gezählet wird, gewidmet. Jenes Schandwerk,
welches nur anrüchige und ketzerische Gesänge enthält, die niemals der Feder
eines frommen Mannes entronnen sein können, sondern gar nur durch die Hand des
Einen entstanden sind, muss, so Ihr seiner habhaft werdet, sofort dem reinigenden
Feuer übergeben werden. Das Instrumentarium besteht aus Sackpfeife, Schalmei,
Flöte, Drehleier, Cister, Bouzouki, Davul, Darbuka, und sonstiges Schlagwerk.
Die Stücke entstammen den Cantigas
de Santa Maria (um 1221-84), dem Llibre
Vermell de Montserrat (14. Jhd.), der Carmina
Burana (um 1230: "Iste
mundus furibundus", "Sic
mea fata"). Dazu Tänzchen aus Italien, Mazedonien, Schottland, und des osmanischen
Hofmusikers Ali
Ufki (vulgo Woizech Bobowski, 1610-75), Liedern von Oswald
von Wolkenstein (1377-1445: "Wol
auff wir weilen slauffen"), Walther
von der Vogelweide (1170-1230: "Palästinalied")
und Giraut
de Bornelh (1138-1215: "Reis
Glorios"; siehe auch FW#22),
und nicht zuletzt eigenen Kompositionen aus dem "Codex Lascivus". Wenn Euch
in dunklen Gewitternächten bang wird, dann lasst die Dudelsäcke atmen und die
Trommeln rasen, so braucht ihr Donner und Blitz nicht zu hören. So sei es.
Schelmish
Walkin' T:-)M
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Nr. 24
© The Mollis - Editors
of FolkWorld; Published 12/2002
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