Sue Sheehan "Beyond Shadows"
Lands End Records, 2020
Annett Kuhr & Sue Sheehan "Eine Reise - A Journey"
Lands End Records, 2020
In Illinois in Amerika geboren, lebt die Liedermacherin Sue Sheehan nun schon seit mehr als 30 Jahre in Deutschland, und ist schon lange in Deutschland als Musikerin unterwegs. Ihre Lieder sing geprägt von ihrer amerikanischen Heimat sowie Irish Folk, der ihr durch die irischen Wurzeln ihrer Familie gut vertraut ist. Ich habe mir hier ein Soloalbum von Sue, sowie ein Duo-Album mit Annett Kuhr angehört - beide empfohlen.
Auf Sue’s Solo-Album „Beyond Shadows“ sind alle Titel aus eigener Feder. Das Album fängt an mit dem aufmunterndem, fast Mantra-gleichen „Take in Stride“ - „Take in stride and let it slide, take in stride enjoy your life“. Nach diesem Motto scheint Sue auch zu leben - so erzählen die Lieder von ihren wohl sehr vielfältigen Reisen in aller Welt, aber auch von Hoffnung und Natur. Das Album ist ein Resultat des Lockdowns in 2020, eine Zeit, die Sue kreativ für dieses Album genutzt hat - und dabei ist ein positives, optimistisches Album von hervorrangenden Folksongs entstanden.
Doppelbock mit Christine Lauterburg "Froh & Roh"
Narrenschiff, 2020
Gerade erst wurde die Berner Sängerin und Jodelkünstlerin Christine Lauterburg mit dem Schweizer Musikpreis ausgezeichnet.
Doch die kulturelle Botschafterin einer weltoffenen Schweiz ruht sich nicht auf diesen Lorbeeren aus, sondern trägt ihren
keineswegs unwesentlichen Teil zum 20jährigen Bestehen der Schweizer Volxmusikgruppe Doppelbock bei. Zusammen mit
Dide Marfurt (Drehleier, Halszither, Sackpfeife), Matthias Lincke (Geige) und Simon Dettwiler (Schwyzerörgeli) werden
Volks- und Jodellieder als auch traditionelle Tänzli einer Auffrischungskur unterzogen. Es ist im besten Sinne Instandhaltung
und Instandsetzung der alten Hadern jenseits der reaktionären Volkstümelei. Das Lied vom Vreneli aus Guggisberg,
kurz "Guggisberglied" genannt, ist das älteste bekannte Schweizer Volkslied. Es wurde erstmals 1741 erwähnt;
anno 2021 trifft hier morgenländische Ornamentik auf westliche Punk-Attitüde. Folk-Pop, Country, und ein von
Lauterburg und Marfurt selbstverfasster Jodler in Bluescouleur. Da kriegt man (bzw. frau) schon mal Tränen
in die Augen und kommt zur Erkenntnis: Volksmusik auf der Höhe der Zeit ist viel zu exotisch für das Schweizer Formatradio.
Aber Folk war noch nie eine Musik für Feiglinge...
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Alpine Dweller "Among Others"
No Fear Records, 2019
Alpine Dweller "Ö1 Studio 2 Radiosession"
Hoanzl, 2020
Joana Karácsonyi, Flora Geißelbrecht und Matthias Schinnerl bilden das unverbrauchte und unverdorbene
steirisch-oberösterreichische Trio Alpine Dweller. In Wien residierend, aber die ganze Welt in den Blick
nehmend werden folkloristische Einflüsse mit originellem Singer-Songwriter-Pop gepaart, die Volksmusik aus
den nahen Bergen und der Folk der weiten Welt. Ich hätte diese Schublade zwar nie aufgemacht, aber Alpine Dweller
firmieren selbst unter der Bezeichnung "Folkband". O-Ton: "Das große Kleid unserer Musik ist die imaginäre Folklore!"
Gleichermaßen fiktiv und fantastisch, irreal und surreal, wird mit Gitarre, Cello, Viola und Harfe, aber auch
Ukulele, Maultrommel, ein grenzüberschreitender, englisch-sprachiger Indie- und Kammer-Folk-Pop feierlich inszeniert. Geographisch
lässt sich das nicht unbedingt lokalisieren; die Darbietung passt auf die ins grelle Scheinwerferlicht getauchte Theaterbühne wie
in den schummrigen, zwielichtigen Jazzklub. Vielleicht muss man in Wien aber auch nur um eine Ecke biegen und sieht sich einer
Straßenmusik gegenüber, die man sich nicht in den befremdlichsten Träumen hätte erdenken können.
Dazu passt der auf den ersten Blick ominöse Gruppenname, der sich auf die sogenannten "Stoamandl" bezieht, die aus unzähligen
aufeinander geschichteten Felsbrocken bestehenden Wegweiser: "Die Steine fallen und werden neu formiert." Die Musik des Trios
ist ebenso fragil, komplex aufgebaut, und das Ganze gewaltiger als einfach die Summe seiner Teile.
P.S.: Nach ihrer Präsentation in der Radiosendung "Ö1 Kunstsonntag: Radiosession" im Wiener Funkhaus waren die Drei so glücklich
und angetan, dass die Aufnahmen stante pede auf Vinyl veröffentlicht worden sind. Das Live-Ambiente als auch die analoge Technik
kommen dabei der verspielten Poesie und dem anmutigen Charme der Alpine Dweller zugute.
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Gary Moore "How Blue Can You Get"
Provogue Records, 2021
Es hätte wahrscheinlich niemand auch nur einen einzigen Cent darauf gewettet, dass einer der überzeugendsten Repräsentanten
des zeitgenössischen Blues und Bluesrock ausgerechnet im nordirischen Belfast geboren werden wird. Mit dem Soloalbum
"Still Got The Blues" aus dem Jahre 1990 übernahm Gary Moore, der zuvor in Bands wie Skid Row und Thin Lizzy gespielt
und das bei Kritik wie Publikum erfolgreiche Celtic-Rock-Album "Wild Frontier" veröffentlicht hatte, die hell leuchtende Flamme der ursprünglich einmal afroamerikanischen
Musikform, die die beispiellose Grundlage nahezu der gesamten heutigen Popularmusik bildet. Er verteidigte seine
obere Platzierung im Pantheon des Blues bis viel zu früh das Licht erlosch. Wie doch die Zeit verfliegt; 2021 jährt sich nun das unzeitige Ableben
des genialen Gitarristen und Sängers bereits zum zehnten Mal. "How Blue Can You Get" vereinigt
bislang ungehörte Studio-Aufnahmen aus den hintersten Ecken des Gary-Moore-Archivs. Darunter vier originale Nummern,
inklusive einer bittersüßen Blues-Ballade, die fast an "Still Got The Blues" heranreicht ("In My Dreams"). Vier weitere Stück kennt
man aus Moores Repertoire, klassische Blues-Stücke aus den Fingern von Elmore James ("Done Some Wrong"), Memphis Slim ("Steppin' Out") oder
Freddie King ("I'm Tore Down"). Die sieben-minütige Version von B.B. Kings "How Blue Can You Get" hat dem Album das Mantra geliefert.
Die Musik trifft mit ihrer Vielschichtigkeit und ihrer Nachhaltigkeit
ins Mark und es gibt kaum einen Durchhänger. Gary Moore ist nach wie vor die Messlatte, an der der Blues-Gitarrist sich messen lassen muss.
Man kann es nicht anders als Moore-Bewunderer Steve Lukather (Gitarrist der US-amerikanischen Rockband Toto) sagen:
"Gary war eine Macht. Seine Intensität, aber auch seine dynamischen, weichen Töne hatten so viel Gefühl. Sein Verlust ist
schmerzhaft, aber wir sind gesegnet; wir können ihn immer noch auf den Platten und DVDs spielen hören, und all das wird für immer bleiben."
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Vollbard "Coverklabauter 1‰"
pretty noice records, 2021
Das mittlerweile dritte Machwerk des vollbärtigen Bardentrios, bestehend aus Roger Baum (Gesang), David Wollschläger (Gitarre)
und Arno Klein (Perkussion), frönt dem band-typischen Piraten-Folk-Rock, hat jedoch in bester Freibeuter-Manier die Schatzkisten prominenterer musikalischer Skipper geplündert.
In Extremo, Schelmish und Versengold kommen mit ihren Galeonen angefahren; Deichkind, die Broilers und die Ärzte
bringen modernere Schlachtschiffe in Stellung. Insgesamt ein bunter Mix all dessen, woher Vollbard ihre Inspiration bezieht.
Sie singen über Thekenmädchen, Hässliche Kinder und die Besteste Band (wer kann das wohl sein?). Das Gold lag auf der Straße
und wurde frank und frei eingesammelt; die Prägung ist jedoch eine ganz Vollbard-eigene. Schwing das Holzbein und im schlimmsten
Fall hilft immer noch eine Buddel voll Rum!
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Hayde Bluegrass Orchestra "Migrants"
Eigenverlag, 2021
Das Hayde Bluegrass Orchestra ist eine Bluegrass-Band aus Oslo,
welches 2012 durch die Filmmusik in dem Oscar-nominierten, belgischen Kinofilm "The Broken Circle Breakdown" inspiriert wurde.
Die Handlung dreht sich um das Zusammenfinden eines Liebespaars und das Auseinanderbrechen aufgrund der Leukämie ihrer gemeinsamen Tochter
vor dem Hintergrund einer Bluegrass-Formation. Der Soundtrack (inklusive des von der Carter Family bearbeiteten Chorals "Will the Circle Be Unbroken")
kommentiert das Geschehen und die Befindlichkeiten der Protagonisten. Das Hayde Bluegrass Orchestra tritt in diese Fußstapfen:
Authentizität, Subtilität, Originalität. "Migrants" thematisiert die norwegische Auswanderung nach Nordamerika: "Back Home to Harlan" in Kentucky
(wer wie ich in den letzten Wochen die kompletten Staffeln von "Justified" gesehen hat, will aber eher aus Harlan weg als dort hin).
Mit ironischem Unterton wird die Virtuosität der Country-Musik aus den Appalachen mit der traditionellen Musik des europäischen Nordens verknüpft.
Das achtköpfige Orkester umfasst neben dem Frontpärchen Rebekka Nilsson (Gesang) und Joakim Borgen (Mandoline) weiterhin
Magnus Eriksrud (Banjo), Moa Meinich (Geige), Emil Brattested (Resonator-Gitarre), Ole Engrav (Gitarre), Jonas Olsen (Bass) - und
aus der Reihe fallend Sjur Marqvardsen mit dem Akkordeon.
Letzteres hat man im Bluegrass State noch nicht gesehen. Tatsächlich wurde
das Hayde Bluegrass Orchestra als offizieller Bluegrass Ramble Showcase Artist für die World of Bluegrass Convention 2020 der
International Bluegrass Music Association ausgewählt. Der Trip nach Übersee konnte logischerweise nicht stattfinden;
stattdessen wurde das Album-Release-Konzert aus Oslo editiert und als Video ins Netz gestellt. Da schließt sich der
Kreis wieder: Der fleißige Kinogänger wird an zahlreichen Stellen Anspielungen auf "The Broken Circle Breakdown" erkennen;
auch aufgrund dessen, dass Rebekka Nilsson und Joakim Borgen ausgebildete Schauspieler sind.
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Kate McDonnell "Ballad of a Bad Girl"
DogEaredDiscs, 2020
Die US-amerikanische Singer-Songwriterin Kate McDonnell ist in Baltimore geboren, aber alsbald in den Bundesstaat New York verzogen. Als Vierjährige
machte sie Bekanntschaft mit einer Joan Baez LP und der Rest ist, wie man so schön sagt, Geschichte. Um Folkmusik zu machen, bringt sie sich selbst als
Linkshänderin auf einem rechtshändig gestimmten Instrument das Gitarrespielen bei. Ender der 1980er-Jahre beginnt sie eigene Songs zu schreiben. Sie
bespielt die großen Festivals, tourt mehrmals durch Europa und veröffentlicht CDs bei Appleseed Recordings und Brambus Records. Ihr insgesamt
fünftes Album "Ballad of a Bad Girl" erscheint nun nach einer nahezu fünfzehnjährigen Pause, in der sie sich hauptsächlich ihrem anderen Broterwerb
gewidmet hat, der Therapie von Kindern. Dies zeigt sich auch in dieser Ansammlung engagierter Stücke, verfasst zusammen mit Anne Lindley, die
Beobachtungen aus ihrem Berufsleben aufgreift. Insbesondere verwickelte Familienverhältnisse sind ein großes Thema:
"Bad Girl" (Folks call us those bad, bad girls, we’re just misunderstood...), "Father & Son" (Two angry hearts beating as one...).
Es gibt aber auch eher poetische Lieder: "Berlin" steht als Metapher dafür, gesündigt und sich selbst erlöst zu haben - genau wie die
Metropole im 20. Jahrhundert. Das Licht an dunklen Orten zu sehen, zieht sich wie ein roter Faden durch das gesamte Album.
Um das Ganze abzurunden, covert Kate McDonnell John Fogertys "Long As I Can See The Light" und Richard Thompsons "Dimming of the Day".
Kates helle Sopranstimme und ihr spielerisches Fingerpicking sind ein schöner Gegensatz, um mit voller Wucht Gefühl und Leidenschaft
dem geneigten Hörer zu übermitteln.
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Gnoss "The Light of the Moon"
Blackfly Records, 2021
Graham Rorie "The Orcadians of Hudson Bay"
Rumley Sounds, 2021
Ursprünglich wurde Gnoss 2015 an Glasgows Royal Conservatoire of Scotland als Duo gegründet, und zwar von Aidan Moodie (Gesang, akustische Gitarre) und Graham Rorie (Geige, Mandoline, elektrische Tenor-Gitarre), die beide von den vor der schottischen Nordküste gelegenen Orkney-Inseln stammen. Mittlerweile ist Gnoss mit Flötist Connor Sinclair und Perkussionist Craig Baxter vom schottischen Festland zu einem Quartett angewachsen. Außerdem gibt Kontrabassist James Lindsay von der bekannten Band Breabach ein Gastspiel.[68] Produzent Scott Wood[61] (Skerryvore)[75] hat zusammen mit der Band nach einem eigenen, unverwechselbaren Klangbild gesucht. Mit einem Gefühl für traditionelle Musik besteht "The Light of the Moon" gänzlich aus selbstverfassten Stücken. Da sind feurige Jigs und Reels, bei denen kein Fuß auf der Erde bleibt (der nach Connor Sinclairs Heimat benannte "Good Crieff" ist ein gutes Beispiel), und der verzwickte 7/8-Rhythmus, der für strauchelnde Beine sorgt. Das Titelstück "The Light of the Moon" als auch die stoischen "Tuction" und "Alister & Katrina's" sind im Gegensatz dazu eher zu Herzen gehend. Die acht von Graham Rorie und Connor Sinclair komponierten Instrumentals werden von vier von Aidan Moodie geschriebene Folksongs abgerundet. Seine Inspiration liegt ganz klar in seiner Inselheimat - see the water, feel the wind blow, the river never flows too slow -, musikalisch nähert er sich aber einem schwungvollen Folk-Pop, bei dem sich auch mal ganz gut mitsingen lässt. Insgesamt demonstriert Gnoss jungenhaftes Selbstvertrauen gepaart mit der Ausgereiftheit fortgeschrittenen Alters. Das Handwerk ist fundiert, die Ideen sind eine wahre Pracht, das Ganze sorgt für Wohlbehagen.
Mit seinem Solo-Album "The Orcadians of Hudson Bay" erinnert Graham Rorie an die Arbeitssuchenden, die im 18. und 19. Jahrhundert von den Orkney-Inseln
ins nördliche Kanada emigriert sind. Beschäftigung fanden sie bei der Hudson Bay Company, die das Monopol auf den Pelzhandel in diesem Teil der Welt hielten.
Tatsächlich wurden sie die populärsten Arbeitnehmer; um 1800 waren 79% der Belegschaft von den Orkneys. Graham Rorie hat vor diesem Hintergrund eine elf-teilige Suite komponiert,
die von traditioneller Musik inspiriert ist. Kein einziges Lied, dass die Geschichte erzählt! Es ist ein instrumentaler Soundtrack zu einem noch nicht realisierten Film!
Die Titel rufen Begebenheiten als auch Persönlichkeiten ins Gedächtnis. Da war John Rae (1813-93), der schlussendlich die
Nordwestpassage entdeckte und das Schicksal der verschollenen Franklin-Expedition aufklärte. Weil er das Thema Kannibalismus anrührte, wurde Rae
aus den Geschichtsbüchern gestrichen, während Franklin & Co. posthum geadelt wurden. Isobel Gunn (1781-1861) tarnte sich mehrere Jahre lang als Mann, um für die Company als
Trapper zu arbeiten. Ihre geschlechtliche Identität offenbarte sich erst, als sie schwanger wurde. Andrew Graham Ballenden Bannatyne (1829-89) wurde ein wohlhabender Einzel-
und Großhandelsunternehmer; in seinem Haus in Winnipeg in Manitoba wurde die allererste Parlamentssitzung abgehalten. Die Erklärungen finden sich in einem zwölfseitigen
Booklet, das liebevoll von Jen Austin illustriert worden ist. Die Musik präsentiert die gesamte Spanne von sanften Weisen bis zu mitreissenden Tänzen. Es erklingen die
Islands und Highlands Schottlands, aber auch charakteristisch kanadische Töne. Graham Rorie selbst spielt Geige und elektrische Tenor-Gitarre; für den Big-Band-Sound
sorgen desweiteren Geigerin Kristan Harvey (Fara, Blazing Fiddles),[64][67]
Akkordeonist Pàdruig Morrison, Kontrabassist James Lindsay, Pianist Rory Matheson (ebenfalls Fara), und
Perkussionistin Signy Jakobsdottir (The Shee).[61]
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Grosse Isle "The Bonesetter"
Compagnie du Nord, 2021
Anno 1847, die Kartoffelfäule verwüstete die Grüne Insel, segelten mehr als 400 Schiffe mit irischen Emigranten Richtung Quebec. Viele
haben ihr Ziel nicht erreicht, wer nicht auf hoher See umkam, tat seinen letzten Atemzug in der Quarantänestation auf Grosse Isle im St. Lawrence Strom.
Die Überlebenden gingen in der franko-kanadischen Kultur auf, nicht ohne einen wesentlichen Beitrag geleistet zu haben:
die für die irische Tanzmusik so typischen Verzierungen umhüllen heute spielerisch die traditionellen französischen Melodien.
Das ist die Kulisse, in die sich das Bandprojekt namens Grosse Isle hineingesetzt sieht.
Die kanadische Geigerin Sophie Lavoie hat mit ihrem die Uilleann Pipes spielenden Partner Fiachra O'Regan das Album
"Portraits" veröffentlicht.[67]
Gitarrist André Marchand, der seit vier Jahrzehnten die Folkszene Quebecs prägt,
ergänzt nun das Duo zum Trio. "The Bonesetter" verquickt die traditionellen Musiken Irlands und Quebecs.
Sophie hat ihren Anteil an den Kompositionen, das Titelstück "The Bonesetter" (Le Bonhomme Sept Heures) z.B. erinnert im Titel an ein Schreckgespenst,
mit dem die Kinder ins Bett gejagt werden. Aber keine Angst - die Tänze hier lassen einen Freudensprünge machen. Zur Abwechslung spielt Fiachra ein
stimmungsvolles "Éamonn an Chnoic" ("Ned of the Hill) auf den Pipes, begleitet von Sophie auf dem Klavier. Auch die Gesangsstücke sind eher verhalten.
Und wieder hat Sophie mit "À Grosse Isle" Exzellentes abgeliefert;
die tragische Geschichte von Sarah McDonald aus dem County Sligo, die ihre fünf Töchter bei einem Schiffbruch verlor.
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Halva "Dinner in Sofia"
Danzone / Oriente, 2021
Halva ist der Name des jüngsten Projekts, bei dem der aus dem belgischen Gent stammende und im sächsischen Leipzig lebende Nicolaas Cottenie
die traditionelle Klezmermusik des osteuropäischen Judentums auf den Geist des 20./21.Jahrhunderts treffen lässt.
Das einfach "Jazz" zu nennen, würde viel zu kurz greifen. Genauso verbleibt man nicht in der Enge des jiddischen Shtetl, sondern plündert die
benachbarten Kulturen Rumäniens, Bulgariens und der Ukraine, blickt zeitweilig sogar über den Peloponnes hinweg in den Nahen Osten.
Jedenfalls darf man das Endergebnis mit seinem verführerischen und fesselnden Charme als durchaus gelungen bezeichnen.
Die intensive Musik hat Nicolaas Cottenie allesamt selbst verfasst und mit Hingabe und Virtuosität in ausgefeilte Arrangements umgesetzt.
Momente des Rauschs und der Ekstase brechen dabei immer wieder aus einem wehmütigen und besinnlichen Untergrund hervor.
Das ist der Geist der Klezmermusik, wie man es kennt. Das traditionelle Klangbild gepaart mit einer jazzigen Kammermusik wird weitergeführt
durch das Instrumentarium von Geige (Nicolaas Cottenie & Alina Bauer), Klarinette (Anja Günther), Flöten und Kaval (Marine Goldwaser)
plus einer versierten Rhythmusgruppe bestehend aus Akkordeon (Ira Shiran), Cello (Eline Duerinck) und Perkussion (Robbe Kieckens).
Der Name Halva übrigens bezieht sich auf einen süßen Brei aus Südosteuropa, der schon Menschen unterschiedlichster Kulturen, Religionen und Nationen
erquickt hat. Ein Hochgenuss ...
P.S.: Das "Halva Scorebook" enthält die Noten aller dreiundzwanzig Kompositionen Cottenie aus dem Debütalbum "The Sweetest Klezmer Orchestra"
und dem Nachfolger "Dinner in Sofia".
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Peggy Seeger "First Farewell"
Red Grape Music, 2021
Peggy Seeger, Halbschwester von Pete Seeger und einstige Partnerin von Ewan MacColl, ist eine Ikone der US-amerikanischen Folk-Musik. Die 85jährige
präsentiert im 68. Jahr ihrer musikalischen Karriere ihr 24. Solo-Album, das sie so beschreibt:
Musikalische Zartbitterschokolade mit weichen Kernen, gerösteten Mandeln und mehr Erinnerungen für meine Schatztruhe!
Musik und Lieder sind düster und einsam, aber immer wieder auch optimistisch und voller Entdeckerfreude.
"The Invisible Woman" (Die unsichtbare Frau) thematisiert das Altern und den empörenden gesellschaftlichen Umgang,
um im Refrain kämpferisch zu deklamieren: She’s been on the planet for years, she has plenty say, she won’t go away
(Sie ist seit Jahren auf dem Planeten, sie hat viel zu sagen, sie wird nicht weggehen). Die Folkmusik widerhallend,
die sie Jahrzehnte lang begleitet hat (auch wenn das charakteristische Banjo durch das Klavier ersetzt wurde),
setzt sich Peggy Seeger mit aktuellen wie zeitlosen Sachverhalten auseinander:
Umweltzerstörung, militärische Konflikte, digitale Kommunikation, (un)soziale Medien, Suizid, und immer wieder das Älterwerden.
Das Album wurde mit ihren musizierenden Söhnen Calum und Neill sowie ihrer Schwiegertochter Kate St John eingespielt.
Ich denke, "First Farewell" wird mein allerletztes Album sein, sagt Peggy Seeger, um gleich darauf einzuschränken:
Andererseits wird es mir ein Vergnügen sein, noch einmal mit meinen drei Kindern und ihren Partnern zusamemnzuarbeiten!
Ich denke nicht, dass sie so ohne Weiteres von uns gehen wird. Der Ruf nach friedvollem Umgang und gegenseitiger Rücksichtsnahme
ist aktuell wie eh und je, die Erfordernis für künstlerische Seelenmassage steht hoch im Kurs wie selten zuvor.
© Walkin' T😊M
molden/resetarits/soyka/wirth "schdean"
Bader Molden Recordings, 2021
ernst molden & das frauenorchester "neiche zeid"
Bader Molden Recordings, 2021
Bei Ernst Molden (Gesang, Gitarre)[74] kommt selten Langeweile auf, Atempausen sind ihm unbekannt. Er liefert ab in schöner Regelmäßigkeit. Eben noch erschien das vierte Album seiner Unternehmung mit Willi 'Ostbahn Kurti' Resetarits (Rockgesang, Blues-Mundharmonika), Walther Soyka (volksmusikalische Knopfharmonika) und Hannes Wirth (Elektro- und Slidegitarre). Seit mehr als einem Jahrzehnt haucht das umtriebige Quartett dem Wienerlied neues Leben ein, ausgezeichnet sowohl mit dem österreichischen Amadeus als auch dem deutschen Liederpreis der Liederbestenliste.[40][55][64] Was beweist, dass sich das Elaborat nahezu problemlos und schlüssig in Idiom und Esprit jenseits des Alpenvorlandes übersetzen lässt. Nicht weil Willi Resetarits eigentlich aus der generalisierenden Pop- und Rockmusik kommt, sondern weil das Liedgut von Ernst Molden das Universale im Lokalen sucht. So sind nicht die - zugegebenermaßen berückenden - Resetarits-Cover von "If You Could Read My Mind" und John Hiatts "Feels Like Rain" zum Niederknien, sondern die geistreichen Balladen und Moritaten, die der Dreh- und Angelpunkt Molden seiner Heimatstadt zwischen Wienerwald und Donauauen, Weltkulturerbe und UNO-City, Walzer und Schrammelmusik ins Poesiealbum geschrieben hat. Das moderne Wienerlied wird nicht mehr im Heurigen geträllert, sondern im Folk- und Blues-Klub angestimmt.
Wie gesagt, keine Monotonie. Des Moldens zweiter Streich betrifft das Frauenorchester, das trotz Kulturverbot in der Pandemie
ein bacchantisches Bravourstück eingespielt hat. "Mörder Band", sagt Ernst Molden über Sibylle Kefer, Marlene Lacherstorfer und Maria Petrova,
"so arg waren wir noch nie." Die Verruchtheit, die musikalisch über Leichen geht, lässt sich in keine Schublade einordnen:
Pop? Jazz? Folk? Welt? Wie sagt doch der Wiener so trefflich: es ist eine schöne Leich!
© Walkin' T😊M
Korby Lenker "Man in the Maroon"
GrindEthos, 2021
Im Jahr 2021 eine CD zu veröffentlichen ist (nicht nur) für den in Nashville lebenden Singer-Songwriter Korby Lenker
"als würde man in einem Ein-Mann-Rettungsfloß mitten im Ozean treiben und durch den Nebel schreien".
Sein achtes Album "Man in the Maroon" ist Korbys Kommentar, wie wir alle während der Corona-Pandemie auf unserer eigenen einsamen Insel gestrandet sind.
Nun kann man Nashville vielleicht nur als einsame Insel bezeichnen, wenn man gewohnt ist, das halbe Jahr on the road zu verbringen.
Lasses wir Korby selbst sprechen: "Ich habe zu Beginn der Pandemie angefangen, diese Platte zu machen.
Wir alle teilten das Gefühl, dass die Welt pausiert. Blankliegende Nerven, aber auch viele Experimente. Meins war dieses Album...
Ursprünglich dachte ich, ich würde ein paar einfache Gesangs-/Gitarrenaufnahmen von neuerem Material machen.
Im Laufe der Wochen und Monate änderte sich das Projekt. Mein Freund Skylar hat mir geholfen, eine Band zusammenzustellen. Wir gingen ins Studio.
Meghann Wright betreibt in East Nashville ein Label namens GrindEthos. Sie mochte meine Musik und ich mochte ihre Betriebsamkeit, also haben wir uns zusammengetan.
Habe ein schönes Video gemacht. Habe ein paar seltsame Videos gemacht. 15 wöchentliche Live-Streams hintereinander gespielt."
Er wollte ein Album erschaffen, "als wäre es das letzte was ich je machen würde." So schießt er auch los irgendwie zwischen Folk-Rock und Indie-Pop
und nörgelt über die Effekte der (un)sozialen Medien auf unser all psychische Gesundheit. Langeweile kommt nicht auf: Blues-Rock, Piano-Blues, Folk
und Country. "Crow Country", eine Reflektion über die plötzlich verstorbene kleine Schwester und seine darauffolgende selbstgewählte Isolation im abgelegenen Montana,
ist ein bluegrass-lastiges Lied mit Clawhammer-Banjo und Indianer-Flöte. Das dazugehörige Video kann man als episch bezeichnen. Ganz bodenständig sind aber
Korbys erst unlängst erworbene Banjo-Fertigkeiten, wie er dies auf seinem Bluegrass-Instrumental "Billie Louise" demonstriert. Das Album endet mit einem -
vielleicht eher unnötigen - Ukulele-Cover von "Moon River" aus dem Film "Frühstück bei Tiffany", das von Audrey Hepburn bei weitem beseelter dargebracht wurde.
Korby Lenker wird dafür jedenfalls keinen Oscar bekommen, aber das Liedchen dient auch nur als Ausklang und Abschluss einer vorgelesenen 15-minütigen Kurzgeschichte. Insgesamt ist
"Man in the Maroon" jedoch weniger überflüssig denn Überfluss. Ein bißchen wie die Pandemie: man springt zufällig von Tag zu Tag, ohne wirklich auf den Punkt zu kommen.
Das ist aber nicht weiter schlimm, das Werk von Korby Lenker ist längst nicht abgeschlossen und er hat die Zeit bereits hinter sich gelassen, die er derart besingt:
"I felt like giving up – I did not give a fuck."
© Walkin' T😊M
Alasdair Roberts og Völvur "The Old Fabled River"
Drag City, 2021
Der neuzeitliche Glasgower Troubadour Alasdair Roberts ist auch mit anderen Sprachen vertraut als nur der eigenen englischen Muttersprache.
Das Album "Urstan" (2012) wurde mit der gälischen Sängerin Mairi Morrison von den Äußeren Hebriden aufgenommen und "Au Cube" (2018) mit der französischen
Acapella-Truppe Tartine de Clous. Mit "The Old Fabled River" ist er der Einladung des norwegischen Geigers Hans Kjorstad gefolgt, mit fünf weiteren
skandinavischen Künstler eine folkig-jazzige Reise durch den keltischen und nordischen Gesangskanon zu unternehmen. Quasi gleichsam in Fjorde und Glens einzutauchen.
Das Ergebnis ist auch gleichzeitig episch und experimentell.
Alasdair Roberts hat natürlich auch ein paar eigene Lieder beigesteuert. Das Herzstück des Albums ist das musikalisch wie textlich vielschichtige "Green Chapel":
Die Grüne Kapelle entstammt dem Sagenkreis um König Artus; Sir Gawain trifft dort den Grünen Ritter und wird auf die ultimative Probe gestellt. Das Stück
erkundet fernerhin das uralte keltische Konzept, dass Musik drei Empfindungen entspringen würde: Freude (geantraí), Klage (goltraí) und Ruhe (suantraí). Auch die
drei anderen selbstverfassten Lieder zeugen von einem ausgedehnten literarischen Horizont. Er besingt "Sweet William’s Ghost" (Child-Ballade Nr. 77)
und eine Acapella-Version des Robert Burns'schen "Song Composed in August".
Völvur steuert überarbeitete Lieder aus der norwegischen Tradition über Sonnenauf- und untergang bei, bei denen jetzt Komplexität und Improvisation waltet.
Marthe Leas tiefe und bedeutungsschwangere Stimme zieht den Hörer unvermittelt in geheimnisvolle Gefilde.
Der Bandname Völvur bedeutet übrigens übersetzt so viel wie Seherin, eine Referenz an eine isländische Saga. Was die Dame wohl prophezeit hat? Vermutlich Großes...
© Walkin' T😊M
Murray & Magill "Murray & Magill"
Eigenverlag, 2020
Andrew Finn Magill & Seán Gray "Half Light" [EP]
Eigenverlag, 2020
Seán Gray "The Great Stariski" [Single]
"A" Frame Records, 2021
Gut zwei Jahrzehnte verfolgt der Geiger Andrew Finn Magill aus North Carolina parallele Karrieren traditioneller irischer Musik, amerikanischem Old-Time und Bluegrass, Jazz als auch brasilianischem Choro. Ersteres soll uns hier interessieren. Die beiden Alben "Roots" und "Branches" aus dem Jahr 2016[63] begeisterte die Kritiker auf breiter Front. Unterstützung fand er dabei musikalisch bei John Doyle (vormals Solas) und Cillian Vallely (Lúnasa). Magill pflegt mit wechselnden Sängern und Gitarristen zu touren, u.a. dem Glasgower Sänger Alan Murray, der in Boston sein derartiges Zuhause gefunden hat. "Murray & Magill" ist exklusiv über Bandcamp erhältlich, sowohl als reiner Download als auch besonderes "Fan Package" mit Noten und umfänglich Infos. Die eher knappen, schnörkellosen Instrumental-Sets sind ein Abbild ihrer Live-Darbietungen. Direkt, markant, intensiv - kein Schnickschnack! Man merkt, dass die beiden gut aufeinander eingespielt sind.
Andrew Finn Magill ist nicht nur ein kompetenter Fiddler, sondern beherrscht auch das Handwerk der Komposition. "Alex's New Pipes" für einen befreundeten brasilianischen Piper erfordert flinke Finger; der Walzer "Harry’s House" klingt irgendwie typisch amerikanisch. Auch die "Half Light"-EP mit seinem musikalischen Partner Seán Gray schöpft aus der Tradition, ist aber 100% original. Wobei die fünf Titel, vor allem die Gesangsstücke, auf dem Mist von Seán Gray gewachsen sind. Seán ist ein Multi-instrumentalist aus dem Südwesten Schottlands, der lange Jahre mit der Paul McKenna Band getourt ist. Hauptsächlich Gesang, Gitarre und Geige ist "Half Light" eine interessante und zeitgemäße Mischung aus keltischer Musik und Jazz. Das rhythmische Titelstück wurde vom irischen Literaturnobelpreisträger William Butler Yeats inspiriert, wobei Gray schon mal zur Stromgitarre greift. "The Honest Dog" beruht auf einem Gedicht des Schotten William Hamilton, der wegen seiner Unterstützung der Rebellion 1745 ins französische Exil getrieben wurde. Das moderne "Leaving Home" beschwört weniger lässig und entspannt irgendein Zugehörigkeitsgefühl, sondern angesichts des Brexits eher behäbig und beamtenhaft das Gegenteil davon. Die beiden anderen Stücke erinnern an und führen Magills Instrumentalwerk fort.
Seitdem Seán Gray den sicheren Hafen des Ensembles-Spiels verlassen hat, hat er eine Nische für eine Solo-Karriere gesucht - und schlussendlich gefunden.
2017 sollte er im Rahmen der Konzertreihe New Voices beim Celtic Connections Festival in Glasgow in Zusammenarbeit mit dem Dichter Rab Wilson eine Suite verfassen.
Wilson dichtet im lokalen Dialekt seines heimatlichen Ayrshire, Scots oder Lallans genannt. "The Great Stariski"
erzählt die wahre Geschichte des Grubenarbeiters Johnny Stariski, der dafür bekannt war, auf dem Förderturm der Barony-Zeche einen Handstand auszuführen.
Eine weitere Veröffentlichung - das nostalgische "Ghaists" über das aufgelassene Zechendorf Benwhat - ist für August geplant.
Der schottische Dialekt wurde erst kürzlich nach einer hartnäckigen Kampagne in die Liste der anerkannten Sprachen von Spotify aufgenommen.[74]
© Walkin' T😊M
Bill MacKay and Nathan Bowles "Keys"
Drag City, 2021
Bill MacKay ist ein aus Chicago stammender Sänger und Gitarrist, dessen musikalisches Spektrum Folk-, Jazz- und Rockmusik umfasst.
Eine interessante Begleitung für das Banjospiel Nathan Bowles im traditionellen Clawhammer-Stil. Diese Auswahl an Banjo-Gitarre-Duetten
(und ein wenig Keyboard und Perkussion zugefügt) verweist auf klassischen Bluegrass und zeitgemäße Rootsmusik. Der beschwingte "Joy Ride" ist fast eine Pop-Nummer.
Dabei sind acht der zehn Titel Eigenkompositionen, starke Melodien, aber auch durchaus gewagt und für sowohl Musiker als auch Zuhörer anspruchsvoll.
Drei Stücke sind Gesangsnummern; das Highlight sicherlich die Gospel-Hymne "I See God" aus der Feder von Estil und Orna Ball. Das Ehepaar erwanderte die Appalachen in
der Mitte des 20. Jahrhunderts und predigte ein ökologisches Gottesverständnis: "I see God in everything, on the land and the deep blue sea, in the fields, the meadows, and the pastures green."
Hier ist das religiöse Elaborat in eine lässige Nummer mutiert, wie man sie bei der vielzitierten Jam-Session auf der Veranda hören kann.
© Walkin' T😊M
Rhiannon Giddens with Francesco Turrisi "They're Calling Me Home"
Nonesuch, 2021
Die afro-amerikanische Rhiannon Giddens aus North Carolina hat ursprünglich Operngesang studiert, ihre Raison d'être jedoch in der regionalen
Musik gefunden. Die ersten Schritte fanden mit den Carolina Chocolate Drops statt,[49]
Our Native Daughters wurde ein Überraschungserfolg,[70]
mittlerweile ist sie eine renommierte Solokünstlerin. Das aktuelle Album "They're Calling Me Home" efolgte zum wiederholten Male mit dem
italienischen Multi-Instrumentalisten Francesco Turrisi. Beide leben in Irland, wenn sie gerade nicht auf Tour sind, und waren dort aufgrund
der Corona-Pandemie zum Verweilen gezwungen. Das immerhin positive Resultat sind 12 markante Titel, die vom Wunsch nach Obdach und Obhut geprägt sind.
Das heisst neben der Eigenkomposition "Avalon" (d.i. der mythische Sehnsuchtsort aus dem Sagenkreis um König Artus) neu arrangierte
Traditionals wie "I Shall Not Be Moved", "O Death" oder "Amazing Grace". Das Letztere rein instrumental als trance-artiges Summmen und Brummen!
Insgesamt ein eher nach innen gekehrtes Werk, bei dem den tiefsten Eindruck die hingebungsvolle Singstimme von Giddens macht.
Francesco Turrisi hat das italienische Wiegenlied "Nenna Nenna" beigesteuert, das er früher immer seiner kleinen Tochter vorgesungen hat.
Das Barockgedicht "Si Dolce è‘l Tormento" hat einst Monteverdi vertont, und da wird das Album zu einem Stück Kammermusik. Ansonsten regiert
die Folkmusik, wenn auch eine Mischung der traditionellen Musiken Nordamerikas, Italiens und Irlands. Es erklingen Banjo, Geige, Akkordeon und diverse Trommeln.
Zusätzliche Beiträge liefern der kongolesische Gitarrist Niwel Tsumbu, den es vor fünfzehn Jahren auf die Grüne Insel verschlagen hat, und die traditionelle irische Musikerin
Emer Mayock an den Uilleann Pipes.[75]
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Bodh'aktan "De part et d'autre de l'Atlantique (Live)"
GO-Musique, 2021
Seit gut einem Jahrzehnt praktiziert das Septett aus Quebec ihre freibeuterische Version des Celtic Folk Rock. Der Bandname
ist inspiriert von der französischen Aussprache einer bekannten Schuhmarke, die wiederum von Fischerstiefeln inspiriert worden ist.
Also steht Bodh'aktan sozusagen knietief in der Tradition der Iren, Schotten und Franko-Kanadier, hat die Netze ausgeworfen, um die altehrwürdige
Musik einzufangen, hat jedoch den Motor angeschmissen und nun geht es Volldampf voraus.
Das Line-Up vereint Akkordeon, Geige und Dudelsack mit Bouzouki und Banjo als auch mit Stromgitarre und Schlagzeug. Kompromissloser Rock und Punk
mit Wurzeln in Zentralfrankreich und der Bretagne - oder zumindest wie diese musikalischen Traditionen in Übersee angekommen sind.
Nachdem "La Sainte Nitouche" von ihrem Zweitwerk "Tant qu'il restera du rhum" sich in Quebec zu einer Pop-Hymne entwickelte und "Against Winds and Tides"
auf den englisch-sprachigen Markt zielte, hielt Bodh'aktan Ausschau auf andere Gefilde und tourte in Folge regelmäßig durch Europa. Mit unseren deutschen
Folk-Rock-Heroen Fiddler's Green stimmten sie gemeinsam "Fields of Green" an. Auf der Bühne hat Bodh'aktan ihr eigentliches Zuhause gefunden. Sie entern
jede verfügbare Bühne, hinterlassen aber fernab jeder Piratenmanier nur positive Eindrücke - und ausgepowerte Jungs und Mädels.
Anlässlich des 10-jährigen Jubiläums wurden also folgerichtig einige live aufgenommenen Bodh'aktan-Klassiker auf einem Album verewigt.
u.a. beim Schweizer Paléo Festival und beim deutschen Shamrock Castle Festival 2019.[71]
Nicht nur ein Fan-Paket...
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Luís Peixoto "Geodesia"
Groove Punch Studios, 2021
Luís Peixoto aus dem portugiesischen Coimbra ist einer der meistgeschätzten Interpreten von Saiteninstrumenten in der dortigen traditionellen Musikszene.
Sein Name ist mit einigen der auch hierzulande bekannten Folk-Ensembles verbunden wie Dazkarieh[39]
oder das Stockholm Lisboa Project.[34]
Mit dem Anxo Lorenzo Trio[49]
gewann er 2011 den Eisernen Eversteiner beim Folkherbst in Plauen.
2017 veröffentlichte er sein erstes Soloalbum "Assimétrico", nun gefolgt von "Geodesia", das sich vor allem auf das Spiel der Mandoline konzentriert.
Die traditionellen und originalen Kompositionen sind in der portugiesischen Musik verwurzelt, teils aber auch von keltischer Musik inspiriert.
Insgesamt ein exquisites Saiten-Album, dessen sorgfältig zusammengestellte Melodien mit Bravour ausgeführt werden.
Die Geodäsie beinhaltet die Bestimmung der Erdfigur; Luís Peixoto allerdings verlässt den vertrauten Grund und überschreitet die herkömmlichen Grenzen und Sphären - und das mit einem forschen Ensemble,
das u.a. die Sängerin Catarina Moura und die Akkordeonistin Celina da Piedade, als auch den asturischen Geiger Rubén Bada,
den galizischen Dudelsackspieler Pedro Fariñas, den kanarischen Timple-Spieler Germán López[61]
und den finnischen Geiger Esko Järvelä[52]
umfasst.
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Harmony Glen "Sing Me A Song"
Eigenverlag, 2020
Im irischen County Mayo habe ich eine "musikalische Brücke" überquert. ob es auf der grünen Insel auch ein "harmonisches Tal" gibt,
entzieht sich meiner Kenntnis. Dieses hier liegt jedenfalls in den nördlichen Niederlanden - falls es dort überhaupt so etwas wie Täler gibt.
Harmony Glen sind seit gut anderthalb Jahrzehnten unterwegs, u.a. dem Maritim Festival Bremen, um auf den Bühnen ihre Irish Folk Extravaganza
auszuleben. In dieser Zeit haben sie sich immer mal wieder neu erfunden müssen; die augenblickliche Besetzung ist ein Sextett ausgestattet
mit dem charakteristischen, akustischen Instrumentarium der keltischen Folklore. "Sing Me A Song" ist mal ein ganz besonderer Leckerbissen,
es wurde eine Reihe von Freunden eingeladen, die man auf der Durchreise gefunden hat. Die da wären:
Guy Forsyth von den Asylum Street Spankers ("Children Of Jack"),[34]
Sol Heilo von Katzenjammer ("Happy Song"),[42]
Sean Reeves von Five Alive O ("Mingulay Boat Song"),[37]
The Longest Johns[75]
(Andy M. Stewarts "The Rambling Rover"),[59]
Ye Banished Privateers (deren Publikumshit "You And Me And The Devil Makes Three"),
und nicht zu vergessen Rapalje, die alten Haudegen dieser musikalischen Stilrichtung in den Niederlanden ("Jock Stewart" oder
"I'm A Man You Don't Meet Every Day").[41]
Die Liedauswahl ist ein bunter Mix aus alten und neuen Stücken, Eigen-, teils Fremdkompositionen und Traditionals, in manchen Fällen mit neuen Texten versehen.
Grundsätzlich ist es schnittiger und lebensfroher Celtic Folk (Rock), geprägt von jeder Menge Country, Seemannsgesängen und der homöopathischen Dosis an
Weltmusik. Das opulente Booklet liefert eine Selbstdarstellung, Bandgeschichte und Anekdoten sowie Vorstellung der verehrten Kollegen. Teils etwas chaotisch,
Ungereimtheiten eingeschlossen. Harmony Glen sind eben Kunstschaffende und keine Wissenschaftler.
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