FolkWorld #70 11/2019
© Walkin' T:-)M

»Folklore ist eine hübsche Erfindung«

Bube Dame König, das mit dem Preis der deutschen Schallplattenkritik ausgezeichnete Trio aus Halle an der Saale, lädt auf eine »wundervolle Reise« in ihre ganz eigene Welt des Deutschfolks ein. Anlässlich der Veröffentlichung des aktuellen Albums "Nachtländlein" gibt es nicht nur ein CD-Paket zu gewinnen, Jan Oelmann und Juliane Weinelt ließen zudem noch einmal ihren Werdegang Revue passieren.



Till Uhlmann - Drehleier, Violine, Backgroundgesang
Juliane Weinelt - Gesang, Querflöte, Maultrommel
Jan Oelmann - Gesang, Akustikgitarre, Violine, Stompbox


Artist Video Bube Dame König @ FROG

www.neue-volkslieder.de

Jan Oelmann: Unsere Sängerin Juliane Weinelt und ich machen schon sehr lange zusammen Musik, Irish Folk mit der Band Dizzy Spell[51] und früher einmal auch so eine Art Mittelalterjazz mit der Band Brandan.[42] Wir hatten aber schon längere Zeit Lust auf ein Volksliederprojekt, bei dem wir auch einmal auf Deutsch singen können, statt auf Englisch, Gälisch oder Alt-Galizisch.

Juliane Weinelt: Wir haben dann zuerst einige Proben mit dem Dresdener Drehleierspieler Stephan Groth gemacht und ein paar Lieder arrangiert, bis Stephan dann ein Angebot von der Mittelalterfolkband Faun[65] bekommen hat, das er nicht ausschlagen konnte. Zu unserem großen Glück haben wir gleich im Anschluss mit Till Uhlmann einen der besten Drehleierspieler Deutschlands für das Projekt begeistern können. Nach einem halben Jahr Proben war dann 2013 Bube Dame König Premiere beim Festival PoeTon in Nordhausen.

Woran habt ihr euch orientiert, um den eigenen Sound zu finden?

Jan: Mir persönlich gefallen Folkbands aus dem englischsprachigen Bereich und aus Skandinavien am besten – z.B. Seth Lakeman,[67] Crooked Still oder Värttinä.[59] Das hört man - glaube ich - auch an unserem Sound. Ohne dass wir da jetzt irgend etwas kopieren wollen.

Juliane: Mein absoluter Favorit was Gesang angeht: Cara Dillon.[61]

Bube Dame König: Nachtländlein
»Euch erwartet eine wundervolle Reise in die Welt der traditionellen Schlaf- und Abendlieder, ein Hauch schwarzer Romantik und einige Eigenkompositionen.«

Schneeweiß Vögelein | Am Himmel steht der Mond so fahl | Schlaf, Kindelein, Süße | Wenn die Wellen schlafen gehn | Ulinger | Wer hat die schönsten Schäfchen | Kindlein mein | Königskinder | Gut Nacht, mein feines Lieb | Mittsommertraum

Bube Dame König "Nachtländlein", CPL-Music, 2019


Dank Bube Dame König sind wir in der Lage, ein Paket "Traum-, Winter-, Nachtländlein" zu verlosen.

Verlosung abgeschlossen!

Jan: Dass es in Deutschland Ost und West schon mal in den 60ern und 70ern die Idee gab, Folk und Volkslieder zu mixen, wurde mir aber erst so richtig klar, als uns einige Spender unseres ersten Crowdfundingprojektes ihre Schallplatten von damals geschickt haben.

Wie würdet ihr denn selbst euren Stil beschreiben?

Jan: Auf der recht schwierigen Suche nach einem Label für unsere Musik (und für die Konzertplakate) sind wir irgendwann auf „Neue Folkmusik“ gekommen. Also angelehnt an den Begriff „Neue Volksmusik“, wo alpenländische Volksmusik mit Weltmusik, Rock und Blues gemixt wird, mit Hubert von Goisern als bekanntestem Vertreter.[63] Also bei uns ein Mix aus verschiedenen Folkrichtungen: ein bisschen Irish Folk, ein bisschen skandinavischer Folk, ein bisschen Mittelalterfolk, ein bisschen Americana, ein bisschen Pop. Und dann eben deutschsprachige Volkslieder als wesentlicher Teil des Repertoires.

Erzählt mir doch bitte etwas über euren musikalischen Background!

Jan: Ich habe ganz klassisch Geige an einer Musikschule gelernt und mit 16 dann zwei verrückte Kanadier (und einen Engländer) getroffen, damals noch im fränkischen Erlangen. Mit denen habe ich dann eine Zeit lang die Irish Pubs in Süddeutschland rauf und runter gespielt. Seitdem mache ich eigentlich Folkmusik und habe nebenher noch zusätzlich Unterricht genommen, zum Beispiel bei der irischen Geigerin Aoife O'Brien. Gitarre kam dann irgendwann autodidaktisch dazu dazu. Singen lässt sich dann schnell auch nicht mehr vermeiden.

Bube Dame König: Winterländlein

Juliane hat eine klassische Querflötenausbildung am Konservatorium in Halle (Saale) absolviert und später auch Gesangsunterricht genommen. Später hat sie für einige Zeit einen sehr guten Lehrer für Irish Flute, Alan Doherty.[51] Den haben die meisten schon einmal spielen gehört, er hat das Hobbit-Flötenthema im Herr-Der-Ringe-Soundtrack eingespielt.

Till ist in einer Folk begeisterten Leipziger Familie aufgewachsen, hat Drehleier zuerst auf Workshops gelernt und klassischen Geigenunterricht genommen – später hat er in Leipzig Jazzgeige studiert. Vor Bube Dame König hat mit der Familienband ULMAN[34] auf vielen europäischen Festivals gespielt und auch den Bundeswettbewerb von Creole gewonnen. Beim Regionalfinale Mitteldeutschland haben wir ihn übrigens damals kennengelernt. Zur Zeit gehört er dem Live-Line-Up der Mittelalterfolkband Bannkreis an.

Jetzt ist die mittlerweile dritte CD "Nachtländlein" erschienen. Gibt es einen Unterschied zu den beiden vorherigen Alben?

Juliane: Es sind diesmal Lieder, die sich auf das Thema Nacht beziehen, darunter auch viele traditionelle Schlaflieder wie „Kindlein, mein“ oder „Schlaf Kindelein, Süße“, aber nicht nur.

Jan: Ich habe mir für „Nachtländlein“ eine E-Gitarre zugelegt. Dadurch ist die Platte etwas poppiger geraten, als die letzten beiden.

Die vorigen CDs hießen "Traumländlein" und "Winterländlein". Steckt hinter den "Ländlein" eine Art Konzept?

Jan: Auf mich wirken die Volkslieder durch die zeitliche Distanz häufig so, als ob sie in einem unwirklichem Land spielen, einem Fantasyroman gar nicht mal so unähnlich. Das macht für mich einen Teil der Faszination aus und ich glaube, das ist es, was wir mit den Titeln der CDs sagen wollen: Folklore ist zu einem nicht unbeträchtlichem Teil eine hübsche Erfindung, kein tonnenschwerer Ballast, den man Jahrhunderte unverändert mit sich herumschleppen muss.

Juliane: Die Endung „-lein“ ist eine Anspielung auf die romantischen Volkslieder, wo es massenweise Blümelein, Mägdelein und Äugelein gibt.

Wie wählt ihr denn eure Stücke aus?

Bube Dame König: Traumländlein

Juliane: Bei den Volksliedern suche ich recht sorgfältig, bis ich die gefunden habe, die mir wirklich gut gefallen. Häufig spricht mich auch eine Melodie an, die ursprünglich nicht aus dem deutschsprachigen Bereich stammt, dann schreibe ich entweder selbst einen deutschen Text oder gebe die Melodie an unseren Textdichter Thomas Kolitsch weiter. Auf der neuen Platte zum Beispiel der Song „Am Himmel steht der Mond so fahl“, da ist die Melodie vom afroamerikanischen Lullaby „Whole Heap of Little Horses“ geborgt.

Jan: Auf die Idee für den selbstgeschriebenen Song „Ulinger“ bin ich über eine Publikation des früheren Volksliedarchivs Freiburg gestoßen – und war absolut fasziniert davon, dass es tatsächlich Lieder über einen elfenhaften Serienmörder mit Zauberstimme gibt und diese einmal in ganz Europa verbreitet waren.

Was ist an den Texten, Melodien, Arrangements noch ursprünglich, was selbst entworfen?

Dizzy Spell

Artist Video Dizzy Spell @ FROG

www.dizzyspell.de

Jan: Bei den Volksliedern lassen wir die Melodien meist weitgehend im „Original“, alles andere ist neu. Aber manchmal liefert das entsprechende Volkslied auch nur eine grobe Inspiration. „Königskinder“ hatte ich beim Komponieren des Tracks nur noch so halb im Ohr. Damit der Song sich besser an aktuelle Hörgewohnheiten anschmiegt, habe ich ihm auch einen Refrain spendiert. Damit der wiederum funktioniert, brauchte es eine neue letzte Strophe. Auch, damit das Lied nicht gefühlt 50 Strophen benötigt, bis die Story zu Ende erzählt ist. Das gefällt natürlich nicht jedem: Ein Volksliedkenner im Publikum hat das Ergebnis einmal schlicht mit „Falsch!“ quittiert.

Juliane: Die Texte der Volkslieder sind ja auch nicht heilig, nur weil sie zweihundert Jahre auf dem Buckel haben. „Wer hat die schönsten Schäfchen“ ist an und für sich ein sehr schönes Lied, aber die letzte Strophe in der Fassung von Hoffmann von Fallersleben finde ich schon arg pädagogisch antiquiert – das würde ich meinem Kind abends nicht unbedingt vorsingen wollen. Also muss es eben dann für meinen Geschmack eine neue Strophe sein.

Jan: Bei den selbstgeschriebenen Songs versuchen wir aber wiederum, diesen eigentümlichen Volksliedton in den Lyrics zu treffen. Damit sich die Lieder schön in die Platte einfügen.

Bei der Kritik haben die vorhergehenden CDs großen Anklang gefunden und "Nachtländlein" wird sich dem ohne Zweifel auch anschließen. Wie sieht das aber live aus?

Jan: Wenn man die jährlichen Konzertzahlen von Bube Dame König mit denen unserer Irish Folk Band Dizzy Spell vergleicht: 25 zu 5 für Irish Folk. Über eine Reaktion einer Besucherin U50 nach einem Konzert musste ich schon schmunzeln: „Als ich etwas von Volksliedern gelesen habe, habe ich echt überlegt, ob ich überhaupt kommen soll. Zum Glück hab ich es dann doch gemacht!“

Juliane: Das Wörtchen „Volkslieder“ macht schon viele erst einmal skeptisch. Wo es für uns funktioniert, ist auf Festivals, wo es dann unter Weltmusik läuft. Das finde ich persönlich auch die richtige Schublade dafür.



Photo Credits: (1)-(5) Bube Dame König, (6) Dizzy Spell (unknown/website).


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