FolkWorld Ausgabe 33 05/2007; Artikel von Walkin' T:-)M


Die neue Lust am deutschen Volkslied
Peter Braukmanns Schöneweile bei der Wiederbelebung eines Genres

Der Mond ist aufgegangen, die Königskinder haben einander so lieb ... Die Gruppe Deitsch hat es jüngst vorgemacht (-> FW#32), andere folgten auf dem Fuße mit poppigen Interpretationen alter deutscher Volkslieder. Alt-Folkie Peter Braukmann (ehem. "Schnappsack") hat das Projekt "Schöneweile" ins Leben gerufen. Wie kommt's?

Schöneweile
www.schoeneweile.de

Peter Braukmann: Mein Englischlehrer, Herr Timner, spielte uns in der fünften Klasse Peter, Paul and Mary vor und ich wurde Folkfriend. Nachspielen von Dylan, Baez, Donovan, dann Mey [-> FW#25] und Wader [-> FW#32], erste eigene Texte. Erster Live Gig vor fremden Menschen 1970 im Folk Club Thurso in Schottland. 1975 Studioaufnahmen mit Eddy and Finbar Furey [-> FW#9] (die Bänder sind leider verschollen), dann erste eigene Band: Brundorf mit deutschen Volksliedern.

Bei einem Brundorf-Gig im FolkClub Witten (1977) traf ich auf Bernd Goymann, der mit seinem Partner Jürgen Wolf als Schnappsack auftrat. Für Wolf war es der letzte Auftritt mit Schnappsack und für mich der letzte mit Brundorf – da beschlossen Bernd und ich als Schnappsack weiter zu machen. Bernd hatte ein Repertorie an Tänze und traditionellen Liedern und ich einen Grundstock an eigenem Material, das wie Folksong klang. Dann ging es halt weiter: immerzu auf Tour, sämtliche Jugendclubs, Badewannen und Festivals zwischen Sylt und Bodensee – ingesamt 400 Gigs in 2 Jahren. Anfang 1979 verzankten wir uns, was die musikalische Zukunft anbelangte, spielten noch ein Jahr zusammen und trennten uns friedlich im Dezember nach unserem Gig in Bagband, Ostfriesland.

Schöneweile - Volume 1

Schöneweile, Volume 1, 2006
Der Mond ist aufgegangen / Es führt über den Main / Alle, die mit uns auf Kaperfahrt fahren / Dass du mein Liebster bist / Lauf, Müller, lauf / Mudder Witsch / Auf einem Baum ein Kuckuck / Ein Loch ist im Topf (Eimer) / Die Gedanken sind frei / Es waren zwei Königskinder

Wie ist es dazu gekommen, sich (wieder) mit Volksliedern zu beschäftigen, sie neu zu interpretieren, auf Platte zu pressen und damit auf Tour zu gehen?

Peter: Ich wollte all die Jahre ein Bandkonzept verwirklichen, das Pop und Folk in Berührung bringt und deutsche Volksmusik zeitgemäß arrangiert spielt, denn warum soll denn immer nur die volkstümliche Musik - überall als Volksmusik verkauft - zu hören sein.

Das ist ja alles eher modern, poppig und kommerziell orientiert und nicht die Folk-Puristen sind die Zielgruppe. (Oder sehe ich das falsch?) War das eine bewußte Entscheidung? Oder hieß es: das ist halt mein Ding?

Peter: Der Begriff kommerziell ist für Folkies immer schon schwer verdaulich gewesen. Wieso, weiß ich nicht. Wer mit Musik egal welcher Couleur Geld zum Leben verdienen will, kann auf kommerzielle Erfolge doch gar nicht verzichten. Lieder sind Musik und Mensch für echte Folkies dann besser, wenn beides nicht massenkompatibel ist. Es gibt sicher viel zu viel Scheiß, der kommerziell erfolgreich vermarktet wird, aber grundsätzlich kommerzielles Denken mit Teufelswerk auf eine Stufe zu setzen, ist typisch deutsch. Ich habe über 10 Jahre für Monty Python gearbeitet und kann versichern, dass dort aber so was von kommerziell gedacht und gearbeitet wurde.

Nach welchen Kriterien wurden die Lieder ausgesucht? Haben diese noch eine Relevanz für heute? Im Gegensatz zum politisierten Deutsch-Folk-Revival der 1970er wird ja eher das harmlose Lied gepflegt...

Bobo, Lieder von Liebe und Tod, 2006
Es fiel ein Reif in der Frühlingsnacht / Schwesterlein, wann gehn wir nach Hause / Der schwere Traum / Wildvögelein / Todesstille / Die Gedanken sind frei / Todeskuss / Mir träumt, ich ruhte wieder / Bleib bei mir / Die Lieb / Wanderers Nachtlied

Deitsch, Königskinder, 2005
Das wacker Mädchen / Vetter Michel / Es waren zwei Königskinder / Bauern-tanz / Stets in Trauer / Die Rheinbraut / Das Kind im Wald / Die Brombeeren / Die 2. Chance / Hobla mr d'Spä / Der Lindenbaum / Lüneburger Rheinländer / Wie schön blüht uns der Maien / Bauramarsch von Gruorn

Achim Reichel, Volxlieder, 2006
Der Rosenmund / Der Lindenbaum / Die Gedanken sind frei / Hohe Tannen / Im schönsten Wiesengrunde / Kein Feuer, keine Kohle / Der Mond ist aufgegangen / Oh wie kalt ist es geworden / Röslein auf der Heiden / Leise zieht durch mein Gemüt / Du liegst mir / Die Ballade von den Königs-kindern / Weisst du wieviel Sternlein stehen / Ick bün Kock, segt he / Hammonia

Peter: Wir haben Lieder ausgewählt, von denen wir annehmen, dass viele Menschen sie kennen oder sich an sie erinnern. Relevanz zu heute? Was hat denn heute überhaupt noch Relevanz? Ich denke, dass die Einheit von Musik und Text und diesen wunderbaren Melodien, die deutsche Musik ja ausmachen, dem Publikum Freude und Unterhaltung bereiten. Da gibt es in der Tat keine politische und tiefschürfende kulturelle Mission, auf der Schöneweile sich befindet.

Und das Publikum staunt?

Peter: Das Publikum genießt das „Ereignis“ Schöneweile zum Teil erstaunt, wenn es sieht und hört, was mit unserer Musik möglich ist. Ein Live-Gig von Schöneweile ist eine – auch – dramaturgische Reise durch das Reich der Möglichkeiten, der vielen Facetten, mit denen man unsere Musik interpretieren kann. Hervorragende Musiker, eine Menge Entertainment und viel Überraschendes begeistern das Publikum.

Es gibt ja viele Spielarten deutscher Volksmusik. Wie stehst du persönlich zu den Interpreten von volkstümlicher Musik, zu den Folkies der 1970er und zu den aktuellen Ansätzen?

Peter: Ich bin offen jeder Musik gegenüber, solange sie nicht volksverhetzende Inhalte transportiert. Und die eine Musik mag ich, die andere nicht – Geschmack hat jeder. Allerdings hüte ich mich davor, im bunten Treiben der deutschen Schubladenfraktionen mitzumachen. Ich finde Heino als Vorsänger des deutschen Liedes schrecklich, als Mensch und Kollegen schätze ich ihn. DJ Ötze [-> FW#14] ist ein Prolo aus der Volksmusikmafia, mit dem ich genauso wenig zu tun haben will wie mit meinem Nachbarn, der noch immer glaubt, bei der Stasi zu sein. Und nicht anders war’s in den Siebzigern doch auch, Zupfgeigenhansel [-> FW#29] war für mich ein pläne-Produkt, das ich ablehnte, Lilienthal fand ich toll, ebenso Liederjan [-> FW#32], am meisten aber die Schmetterlinge und vor allem Herman van Veen.
Alle singen mit Schöneweile!

"Wenn sie diesen Link anwählen, finden Sie eine Hitparade der schönsten Volkslieder, aus denen Sie Ihr Lieblingslied wählen oder aber auch eigene Vorschläge unterbreiten können. Die von Ihnen gewählten 15 liebsten Volkslieder werden im nächsten Jahr Grundlage für unsere nächste CD."
1 He Jo Spann den Wagen an 2 Es klappert die Mühle am rauschenden Bach 3 Kein schöner Land 4 Der Schinderhannes 5 Jenseits des Tales standen ihre Zelte... 6 Gaudeamus igitur 7 Zogen einst fünf wilde Schwäne 8 Jetzt fahrn wir übern See 9 Bunt sind die Wälder 10 Wie schön blüht uns der Maien 11 Ännchen von Tharau 12 Ich weiß nicht, was soll es bedeuten 13 Brüderchen, komm tanz mit mir 14 Am Brunnen vor dem Tore 15 Es für uns eine Zeit angekommen 16 Eine Seefahrt, die ist lustig 17 Hänsel und Gretel 18 Horch, was kommt von draußen rein 19 Es, es, es und es, es ist ein harter Schluss 20 Es hatt' ein Bauer ein schönes Weib (Die Fahrt ins Heu) 21 Zum Tanze, da geht ein Mädel 22 Komm lieber Mai und mache 23 Und in dem Schneegebirge 24 Das Bürgerlied 25 Wenn alle Brünnlein fließen 26 Das Lieben bringt groß Freud 27 An einem kühlen Grunde 28 Jetzt kommen die lustigen Tage 29 Ade, zur guten Nacht 30 Im Märzen der Bauer 31 Nun adé, Du mein lieb Heimatland 32 Prinz Eugen, der edle Ritter 33 Es wollt ein Schneider wandern 34 Im Wald und auf der Heide 35 Der Winter ist vergangen 36 Bettelmanns Hochzeit 37 Ach Elslein, liebes Elselein

Und das ist doch immer so, das eine magst du, das andere nicht, doch alles hat Lebensberechtigung und wenn dann die eine Band erfolgreicher ist als die andere, dann ist das halt so. Nicht jede Mannschaft kann die Bundesliga gewinnen, aber du brauchst alle, damit es spannend ist. Das haben leider die Hardcore-Folkies nie gelernt und darum ist auch die ganze Szene so langweilig und kommt nie richtig ins Geschäft – also so kommerziell gesehen, hahaha. Oder auf einen Sendeplatz vor Null Uhr.

Was liegt in nächster Zeit an? Was sind die weiteren Pläne?

Peter: Schöneweile wird jetzt erst einmal die alte CD um vier neue Titeln erweitert auf neuem Label wieder veröffentlichen. Dazu sprechen wir z.Z. einen TV Promotion Plan mit dem MDR ab. Bei Schöneweile singe ich nur noch den "Müller" und führe als Zirkusdirektor durchs Programm, so zähle ich nicht mehr wirklich zu den Musikern der Band. Ab Juni starten wir das 1. Fest der deutschen Weltmusik, organisiert von Karsten Jahnke, auf dem auch Deitsch [-> FW#31, FW#32], ULMAN [-> FW#33], Laway [-> FW#33], Ougenweide [-> FW#32] u.a. (wer wann wo Zeit hat) die neue deutsche Volksmusik hoffentlich einem großen Publikum nahe bringen wird. Ich arbeite an einem Konzept, dieses Festival ins TV zu bringen (Sendezeit vor Null Uhr, hahaha) und wurstele nebenbei mit Benny (Cello bei Letzte Instanz) und Ulrike (Geige bei Schöneweile) an einem Gerüst eigener Lieder.

Photo Credits: (1)-(2) Schöneweile (Website).


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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 05/2007

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