FolkWorld Ausgabe 32 12/2006; Artikel von Walkin' T:-)M


Irisch klingende Verzierungen & bluesige Pattern
3 x Gudrun Walther: More Maids, Cara, Deitsch

Mit den Gruppen More Maids und Cara haben Sängerin und Geigerin Gudrun Walther und ihre Mitstreiter bewiesen, dass auch in deutschen Landen Irish-Folk auf hohem Niveau gemacht werden kann. Mit ihrem neuesten Projekt Deitsch knüpfen Gudrun sowie Gitarrist Jürgen Treyz an das Deutsch-Folk-Revival der 1970er-Jahre an. FolkWorld ließ sich über die drei - und mehr - Leben der Gudrun Walther informieren.

Gudrun: Mit sechs habe ich angefangen zu geigen, erst Unterricht von meinem Vater und dann in der Musikschule. Schon damals gab es bei uns zuhause irische und französische Folkmusik, denn mein zwölf Jahre älterer Bruder war zu der Zeit bereits mit dem Folkvirus infiziert (er spielt diatonisches Akkordeon und französischen Dudelsack). Cara, photo by Tom Keller Mit meinem Bruder habe ich dann die Session- und Festivalszene entdeckt. Mit sechzehn habe ich angefangen, Drehleier und Akkordeon zu spielen. Und ab da kamen die Dinge ins Rollen: mit siebzehn hatte ich meine erste richtige Band (More Maids -> FW#24), kurz darauf bin ich dann auch bei Passepartout eingestiegen. 1996 haben wir mit Passepartout den 2. Platz beim Folkförderpreis gemacht und seitdem bin ich Profimusikerin.

Seit 1996 sind wir mit den More Maids europaweit getourt. Passepartout löste sich 1998 einvernehmlich auf. Ich stieg bei Goût d'hier [-> FW#15] ein, der Band von Hilde Pierard und Wolfram Zimmermann. Seit 1999 bin ich im artes Tonstudio in Esslingen als Studiomusikerin für Hörspiel- und TV- Produktionen (u.a. Sendung mit der Maus) und gelegentlich auch als Produzentin tätig. Das Studio gehört Jürgen Treyz [Adaro -> FW#29], mit dem ich im Jahr 2000 das Trio King-Walther-Treyz [-> FW#20] gründete. Inzwischen habe ich bei einigen Folk- und anderen Bands als Gastmusikerin auf CDs und live mitgewirkt, darunter Le Concert Spirituel, El Houssaine Kili, die Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz, die Söhne Mannheims, Bríd Ní Mhaoleoin [-> FW#29], La Marmotte [-> FW#19] u.a.

Was waren und sind deine stilistischen Vorbilder?

Sowohl was Geige als auch was Gesang betrifft habe ich eine breite Auswahl an Musikern aller Stilistiken, die ich bewundere. Spezielle Vorbilder gibt es nicht, hier aber mal eine Auswahl einiger aktueller Lieblings-Folk-Geiger und -Sänger. Gesang: Andy Irvine [-> FW#23], Kate Rusby [-> FW#20], Karine Polwart [-> FW#16], Erik Marchand, ... Fiddle: Tommy Peoples [-> FW#25], Kevin Burke [-> FW#30], Martin Hayes, Nollaig Casey [-> FW#29], Aidan O'Rourke [-> FW#4, FW#23], John McCusker [-> FW#26], ... Eine wichtige Rolle hat sowohl die Session in Kaiserslautern, als auch die in Heidelberg und Mannheim gespielt. Und natürlich die Band Flap, damals eine der am exzessivsten tourenden deutschen Irish-Folk-Bands. Die ersten Folk-Profis, die ich in Deutschland kennengelernt habe.

Mit den More Maids fing alles an. Dann hieß es: Cara!

Aus dem Trio mit Florian King und Jürgen Treyz wurde Anfang 2003 Cara [-> FW#29] und Sandra Steinort (damals Gunkel -> FW#22) kam in die Band. Ich hatte Sandra auf Cara, photo by Tom Keller Sessions kennengelernt und wir fanden, dass unsere Stimmen gut zueinander passen. Später stieg Florian aus, da er mit der Anne Wylie Band [-> FW#21] und zahlreichen anderen Projekten nicht die nötige Zeit fand. Dann kam Claus Steinort [-> FW#24] dazu, den ich schon seit Jahren kenne und als besten Flute-Spieler in Deutschland bezeichnen würde. Unseren ersten Gig als Cara hatten wir im Juli 2003. Im September kam Rolf Wagels [-> FW#17] mit der Bodhrán spontan auf die Bühne und ist seitdem als fester Gastmusiker bei großen Konzerten dabei. Auch auf der CD.

Jeder brachte seine speziellen Vorlieben und Ideen mit und den gemeinsamen Nenner setzen wir um. Dafür ist es sicher gut, dass wir alle recht unterschiedliche Lieblingsbands haben, auch aus ganz verschiedenen Stilrichtungen. Da fließt vieles mit ein, worauf wir sicher nicht gekommen wären, wenn wir alle nur streng traditionelle irische Musik hören würden. Mit Cara wurden wir in Irland mit offenen Armen empfangen. Das Publikum reagierte sehr, sehr positiv auf unsere Musik (und das während eines großen Festivals, mit unzähligen irischen Bands). Wir hatten fast keine CDs mehr auf dem Heimflug ...

Und nun Deutschfolk! Wie ist es mit Jürgen Treyz zum Projekt "Deitsch" gekommen?

Die Idee zu Deitsch [-> FW#31] hatte ich seit ungefähr 2002/2003 im Kopf. Immer wieder wurden wir auf Sessions von Musikern anderer Nationalitäten gefragt, wie denn deutsche traditionelle Musik klingt. Aus dem Bedürfnis, auch mal ein paar andere deutsche Stücke zu spielen als immer unsere "Standards" (ein paar fränkische Zwiefache, ein paar pfälzische Lieder), hat sich dann eine Recherchearbeit entwickelt, die sich über mehrere Monate hinzog. Immer mal wieder haben wir hier und dort gestöbert und so nach und nach das Material für "Königskinder" gefunden. Zuhause hatten wir auch manchmal Hausmusik gemacht - das hatte ich lange verdrängt - und viele der Volkslieder auf "Königskinder" kenne ich auch noch von früher.

Wie hat sich euer Sound entwickelt?

Da es in Deutschland leider kaum noch "echte" Volksmusiker gibt, die ihr Handwerk von Musikern gelernt haben, die mit der Tradition verwurzelt waren, Deitsch, photo by Tom Keller ist es natürlich viel schwieriger, diese Stilistik so zu definieren, wie man beispielsweise irische Folkmusik definieren kann. Musikalisch wichtige Dinge wie Phrasierung oder Verzierungen muss man sich quasi neu erarbeiten. Wir haben bei der Interpretation der Stücke versucht, den Charakter der jeweiligen Melodie zu erfassen und dem gerecht zu werden. Oft haben wir die Stücke in verschiedenen Versionen ausprobiert, bis wir dann die gefunden hatten, die uns beiden am Besten gefallen hat.

Dabei fließen natürlich die unterschiedlichen Stile, die wir schon gespielt haben, unausweichlich mit ein. Ob das nun eine irisch klingende Verzierung oder ein bluesiges Pattern ist, uns war auf jeden Fall immer wichtig, dass es für uns auch einen Bezug zum jeweiligen Stück hat und im Arrangement wirklich Sinn macht. Traditionelle Musik in aller Welt hat schon immer von neuen Akzenten und Einflüssen gelebt, die die Musiker individuell in die Musik eingebracht haben. Für uns hat sich im Laufe der Proben und Aufnahmen tatsächlich eine gewisse eigene Art der Interpretation von deutscher Folkmusik herausgebildet, die - hoffen wir - auch für andere Ohren schlüssig klingt.

Wie sind die ersten Erfahrungen? Zieht man die Mittelalterzunft und die Rauf- und Sauf-Balladen ab, bleiben ja wenige Interpreten jenseits der volkstümlichen Musik übrig.

Die Reaktionen der Kritiker und der Hörer sind ziemlich überwältigend, sehr positiv. Natürlich gibt es ab und zu mal einen, der sagt: "damit kann ich überhaupt nichts anfangen", oder "die Musik ist toll, aber die Texte sind seltsam". Aber da muss man sagen, dass die Hörgewohnheiten hierzulande einfach anders sind. Dass die gleichen "alten" Geschichten im Irish Folk auch erzählt werden, stört ja in der Regel niemanden. Wir hoffen, dass die Konzertbesucher zahlreich kommen, Tourstart ist am 1. April.

Aber kein Aprilscherz. Live soll es ja verschiedene Inkarnationen von Deitsch geben?

Den Hauptteil der Konzerte werden wir im Duo bestreiten. Das Duo stellt an uns völlig neue Anforderungen, da wir beide bisher nur mit größeren Bands gespielt haben. Im Duo ist ein Grad an Spontanität und Einfühlsamkeit Gudrun Walther, photo by Tom Keller möglich, der zwangsläufig mit jedem zusätzlichen Musiker ein bißchen abnimmt. Das finden wir spannend.

Während der CD-Aufnahmen hat sich schnell herausgestellt, das Johannes Uhlmann [-> FW#5] am diatonischen Akkordeon eine hervorragende Ergänzung zu uns ist und dass wir sehr gut miteinander musizieren können. Deswegen spielen wir einen Teil der Konzerte, für den es gerne mal ein "breiterer" Sound sein darf, wie größere Bühnen und Festivals, im Trio. Die Quintettbesetzung mit Herbert Wachter (Drums, Percussion) und Henrik Mumm (Bässe, Cello) ist ein Luxus, den wir uns nur für ausgewählte Festivals leisten, wie z.B. das Bardentreffen in Nürnberg.

Wie siehst du generell die augenblickliche Folk-Szene in Deutschland?

Probleme gibt es hauptsächlich bei der mangelhaften Infrastruktur (Labels, Agenturen, Vertriebe usw.). Da ist die deutsche Folkszene einfach sehr semi-professionell orientiert. Ein weiteres Problem sind sicher die Kürzungen in den staatlich bezuschussten Kulturzentren. Viele Konzerte können dadurch nicht mehr stattfinden, einige Clubs müssen schließen. Da läuft auch etwas schief.

Gut ist das angenehme Klima zwischen den Musikern. Da gibt es kaum Neid oder Mißgunst, sondern viel Unterstützung und Lob. Und es gibt auch eine sehr gute Session-Szene in Deutschland. Das ist alles nicht selbstverständlich und sehr erfreulich!

Was liegt in der nahen Zukunft an?

Mit Cara werden wir viel im Ausland spielen. Im August 2007 werden wir erstmals vier Wochen in den USA touren, im März 2008 sind weitere drei Wochen geplant. Derzeit nehmen wir auch unsere nächste Cara-CD auf. Auch der Konzertkalender von Deitsch ist gut gefüllt. Die Reaktionen sind unglaublich positiv und es besteht Anlass zur Hoffnung, dass German Folk Music im Ausland auch bald öfter gehört werden kann. Die More Maids touren nun auch wieder, nachdem wir letztes Jahr ja fünf Monate Babypause hatten. Daneben haben wir einige gute Bands und interessante Produktionen im Studio.

Links: www.Caramusic.de, www.Deitsch.de, www.MoreMaids.de

Diskographie:
More Maids "More" (1998)
More Maids "Mary is busy ..." (2000)
King-Walther-Treyz "3rd Dimension" (2001)
More Maids "Live" (2002)
Cara "In Colour" (2004)
Deitsch "Königskinder" (2005)

Photo Credit: (1)-(2) Cara; (3)-(4) Deitsch (by Walkin' Tom).


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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 12/2006

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