FolkWorld Live Review von Walkin' T:-)M; 09/2002:

Glück auf, Knie nieder und Heidevitzka

Tanz- und FolkFest Rudolstadt 2002

www.rudolstadt.deAnfrage an Radio Jerewan: Was wäre, wenn man das TFF um eine Woche verschieben würde? - Dann würde es in Thüringen sieben Tage später regnen! - Böse Zungen meinen ja, dass das schlechte Wetter extra bestellt würde, um den Besucherandrang im überschaubaren Rahmen zu halten. Nein, man kann doch nicht jedes Jahr über das Wetter schreiben. Wir wäre es zur Abwechslung mal mit etwas Musikalischem: Kniegeige, Polen und Ruhrpott waren die Schwerpunktthemen des diesjährigen Tanz&FolkFestivals Rudolstadt, über das die "Zeit" urteilt: "60.000 Enthusiasten strömen zu dieser Love Parade der bodenständigen Musik und erleben 60.000 verschiedene Festivals. Je nach Neigung ist Rudolstadt Tanzorgie, Trachtenspektakel, Völkerkundeseminar, World-Pop-Messe oder das Bayreuth der ethnischen Musik."
Walkin' Tom wandelt und lästert vom Heinepark über Saale und Altstadt bis zur Heidecksburg hinauf und wieder zurück.

Donnerstag, 17:00
Nach fünf Stunden Fahrt Ankunft in Rudolstadt. Unterwegs grüßt schon der "Straßenunterhaltungsdienst". Toll, was einem so alles geboten wird. Selbiger ist aber "schallgedämpft". Ich schlage mein Zelt im Freibadgelände auf und hämmere die Heringe in den harten Boden.

Donnerstag, 20:00
Die Innenstadt ist noch ziemlich ausgestorben. Das Sonderkonzert mit Yann Tiersen (Die fabelhafte Welt der Amélie) schenke ich mir, da es mich weder besonders interessiert, noch das extra Eintrittsgeld wert ist. Später höre ich, es sei o.k., aber zu kurz gewesen. Ich stärke mich stattdessen im "Gast- und Rasthaus Adler" mit thüringischen Spezialitäten. Die älteste Schenke Rudolstadts darf seit 1601 "Gastgerechtigkeit" ausüben. Ein Warpiper - Quest, der mit der Band Staffa Straßenmusik spielt - sucht einen Spielplatz. Gott-sei-dank nicht direkt neben mir. An den Tischen finden sich auch Phil Beer (Show of Hands -> FW#19) und einige Kniegeiger ein. Letztere dürfen anschließend schon mal auf der Marktbühne probesitzen.

Die Kniegeige - nicht zu verwechseln mit der oftmals ebenso benannten Viola da Gamba, vielleicht sollte man besser Kniefiedel sagen - ist das "magische Instrument" des diesjährigen Festivals. Ein gezupfter Musikbogen ist schon auf den altsteinzeitlichen Höhlenmalereien im südfranzösischen Trois Frères abgebildet (10.-15.000v.C.). Eine Malerei in der in bulgarischen Rabisch-Höhle wird als Musikbogen mit Streichbogen interpretiert. Um 900 tritt von China bis Spanien die Rebab auf, der älteste bekannte Vorläufer der modernen Violine, die noch heute in der gesamten islamischen Welt gespielt wird - und zwar auf den Knien. Miniaturen aus dem Codex Alonsos el Sabio von Kastilien (Cantigas de Santa Maria, 13. Jhd.) zeigen die keltisch-germanische Chrotta, die heute in der europäischen Tradition weitgehend ausgestorben ist. Präsentiert werden auf dem TFF u.a. die griechische Lira (Ross Daly; eine Lira in der Sammlung alter Musikinstrumente im Kunsthistorischen Museum Wien trägt die griechische Inschrift "Musik ist Medizin für das Weh des Menschen" und zeigt das trübselige Gesicht eines bärtigen Patriarchen, dessen Stirn aus weiblichen Brüsten zusammengesetzt ist), die bulgarische Gadulka (Georgi Petrov -> FW#9), die persische Kamancheh (Kayhan Kalhor), die indische Sarangi (Dhruba Ghosh) und die chinesische Er-hu (Wu Wei).

Donnerstag, 24:00
Am Eingang zum Zeltplatz wiegen ein Banjo- und ein Bouzoukispieler die Leute mit irischen Standards in den Schlaf. Ich kann später hören, wie sich noch Flöte und Bodhrán dazugesellen. Nebenan werden noch Zelte aufgeschlagen und Luftmatratzen aufgepumpt.

Freitag, 7:30
Das Lager erwacht langsam zum Leben. Erfrischung im Pool und Bad in der Sonne. Ich stelle fest, dass im Gegensatz zum Westen dieser Republik wenigstens auf dem kulinarischen Sektor noch reelle Preise bestehen.

Freitag, 15:30
"Plüsch und Pütt - Die Wärme und die Härte des Revierlebens" heißt die Ausstellung im Schillerhaus über den "homo ruhrgebietiensis" und dessen Sitten wie Brieftaubenzucht, "Eisenbahnerkuh" (d.i. die Ziege) und "Gelsenkirchner Barock". Es sind kitschige, gestickte Plüschkissen mit Sprüchen wie Ein Musikus, ein Musikus, weiss immer, was er spielen muss ausgestellt. Vergangenes Jahr hatten wir uns gefragt, wer wohl bei dem Ruhrpott-Focus auftreten würde: Die Prognose ist zu 90% eingetreten, nur ein Mandolinen- oder Bandoneonorchester ist nicht vertreten. Folk-, Roots- oder Weltmusik im eigentlichen Sinne gibt es nicht arg viel. Man hätte auch Michael Zachcial (
Grenzgänger, Zaches & Zinnober -> FW#21) oder Sheevón (siehe CD-Rezension in dieser Ausgabe) ausgraben oder den pläne-Verlag würdigen können. Trebunie Tutki, photo by The MollisUnd was machen eigentlich das Kifferduo Witthüser & Westrupp, der "Gitarrenlehrer der Nation" Peter Bursch, Ape, Beck & Brinkmann, und Frank der Schwartenhalß? Nicht zu vergessen: 1992 belegt die deutsch-türkische Baba Jam Band den 1. Platz beim ersten ausgeschriebenen Deutschen Folkförderpreis.

Der Länderschwerpunkt ist Polen (-> FW#21). Hier hat sich das TFF eine Region ausgesucht, in der sich im Augenblick einiges zu tun scheint. Unter dem Motto "Die letzten Dorfmusikanten" werden in der KulTourdiele (Touri-Info) Bilder des Warschauer Fotografen Andrzej Bienkowski und Musikinstrumente aus dem Museum Poznan ausgestellt, darunter Raritäten wie eine Teufelsgeige und ein Pedal-Akkordeon.

Freitag, 20:00
Ein T-Shirt "War is terrorism with a bigger budget" passt wie die Faust aufs Auge zum Auftritt der Navajo-Band
Blackfire. Wer hier traditionelle indianische Tänze oder irgendeine Form von Weltmusik erwartet, liegt definitiv falsch. Das ist Punkrock pur. "Punk erklärte dieser Gesellschaft den Krieg und schließlich den Kaptalismus zu einem andauernden Kriegsschauplatz." (-> FW#22) Vorne tobt die Pogofraktion nach dem Motto: Es muss bluten, damit sich das Wochenende gelohnt hat. Ich frage mich, wie wohl das Blackfire-Programm beim Kinderfest in "Klamaukien" aussieht und prognostiziere einen Rückgang der Karl-May-Lektüre bei der deutschen Jugend.

Freitag, 21:00
Der gebürtige Essener Rocker Stoppok (-> FW#16, FW#18, FW#21) hat sich bislang nicht als Themenschwerpunkt gesehen. Stoppok hat sich einst als Straßenmusiker durch die Fußgängerzonen des Potts gespielt und 1979 den Folkclub Augsburg mitbegründet. So weit zu den folkigen Anfängen. Das Konzert wird live im Radio übertragen, "normalerweise wäre das egal, dass meine Gitarre total verstimmt ist, aber wir nehmen jetzt, wenn schon mal was Gutes im Radio läuft, da nehmen wir jetzt mal drauf Rücksicht und ich stimmme meine Gitarre halbwegs richtig." Er wehrt sich gegen den allgegenwärtigen Rudolstock-Trend und will kein "Wetterprophet" sein. Wir auch nicht. "Da die Leute am Radio natürlich nicht mitkriegen, warum ich mich zwischendurch verspiele, ihr habt's gesehen, hier ist gerade eine Giraffe über die Bühne gelaufen und deswegen war ich so irritiert, dass ich danebengegriffen habe."

Freitag, 22:30
La Lionetta, photo by The MollisLa Lionetta (benannt nach einer italienischen Ballade, in der die gute Dame gleichen Namens mit den Soldaten fortzieht -> FW#19) feiern bereits ihr Silberjubiläum. Hier bei uns sind sie noch ziemlich unbekannt. Zu Unrecht, denn hier bahnt sich der erste Höhepunkt des Wochenendes an. Tanzbar und quirlig, gute Laune versprühend, doch ernsthaft bewegen sich Akkordeon, Flöte, Geige, Dudelsack und Mandoline entlang der mediterranen Kulturen, die in Nordwestitalien aufeinandertreffen. Die Tuba gibt stetig, doch unaufdringlich den Rhythmus an. Eine qualitativ und stilistisch mit B.E.V. (-> FW#11, FW#14, FW#21) vergleichbare Formation, die vor zwei Jahren in Rudolstadt begeistert hat.

Freitag, 24:00
"Rassenschande", grunzt der Kontrollfuzzi der Black Guard Security, als er ein schwarz-weisses Päarchen einlässt. "So tolerant und weltoffen dürfte es nicht an vielen deutschen Orten sein", schreibt die Leipziger Volkszeitung über das letztjährige Festival. "Denk da lieber nochmal drüber nach", wäre jetzt wohl Stoppoks Antwort gewesen. Da fällt mir auch noch das Abschlusslied des Konzerts gegen Rassismus und Neonazis 1992 in Essen ein: "Kommt ausse Pötte, es ist wieder soweit. Kommt ausse Pötte, wir sind über der Zeit. Lasst die Faschos nicht ran. Kommt ausse Pötte, sonst sind wir alle arm dran..."

Die Tuaregband Tinariwen aus Mali spielt im Grateful Dead-Stil traditionelle Stammesklänge mit modernem Instrumentarium. Ob nun Country, Blues und Reggae von Afrika auf den amerikanischen Kontinent migriert sind, oder umgekehrt von Amiland zurückgefunden haben, ist nicht so wichtig. Am Schluss steht das gesamte Publikum auf den Beinen und groovt mit. Soviel Sand macht durstig.

Freitag, 1:30
Im Tanzzelt spielt Hoven Droven als das Bo lycklig gammeldansorkester für die Tanzbesessenen auf. Bei dem Gestampfe auf dem Parkettboden hört man leider fast nur noch Rhythmus, aber kaum Melodie. Ach, diese Tänzer haben doch einfach kein Gefühl für Musik. Auch bei den Bretonen Djal, die ganz schöne Sachen spielen, wird einem so das Vergnügen etwas verleidet.

Zum ersten Mal gibt es einen "Tanz des Jahres", diesmal ist es passend zum Polenschwerpunkt die Mazurka, der polnische Nationaltanz im 3/4-Takt. Wie schrieb doch Hennemeyer im Jahre 1936: Im Tanz slawischer Völker drücke sich "ihre rasende und überschäumende Lebenskraft" aus, bei den "Romanen" sei Tanz "dekoratives Spiel" und auch die nordischen Völker "tanzen ihr Lebensgesetz. Aber es ist ein anderes Gesetz, das am deutlichsten sichtbar wird in den Männertanzen mit Schwert, Stab und Gerät. In ihnen ist alle Bewegung gebändigt und beherrscht, das virtuose Können des einzelnen in eine soldatische Übereinstimmung der Bewegung mit der der Kameraden verwandelt." Da muss man doch dankbar sein für die Entwicklungshilfe, die jedes Jahr in Rudolstadt geleistet wird. Ich versuche einzuschlafen, während Gnawa-Beats zum Campingplatz hinüberdröhnen.

Samstag, 11:00
Einzig der zunehmende Lärm treibt einen hoch. Die Zeltdichte hat zugenommen. Nachdem mich die Doppel- und Dreifachnumerierung der Spielorte im Programmheft zuerst in die falsche Richtung gebracht hat, komme ich verspätet zur Diskussionsveranstaltung "Muse und Maloche". Es ist völlig überfüllt, also nix.

Samstag, 13:00
Es wird sich noch herausstellen, dass der erste Act an diesem Tag durch nichts zu toppen ist.
Kontraburger, der Liedgesang erinnert mich an Jefferson Airplane, spielt "fantasy folk" auf solider Jazz- and Rock-Grundlage. In polnischen Texten werden sogar Szenen aus Tolkiens "Herrn der Ringe" umgesetzt: Bilbo Beutling verlässt seine Hobbithöhle (nach dem ersten, zweiten Frühstück etc.) bis er auf den Grünen Drachen trifft. "In his journey of his life, he went through rain ..." Vom Wetter schweigen wir fortan. Mit einem Abstecher zum "Verrückten Kartoffelhaus" am Markt geht es erst mal zum Zelt, um sich wasserfest zu machen.

Grond, photo by The MollisSamstag, 17:00
Das Wetter hat wieder aufgehört. Die niederländischen Grond klingen ein wenig wie das belgisch-flämische Gegenstück Kadril, nur nicht ganz so elektrisch. Den harten Kern der Truppe um Bouzoukispieler Guy Roelofs habe ich noch vergangenes Jahr als "Cadans der Getouwen" (-> FW#22) auf dem Festival in Tilburg erlebt (-> FW#18). An den Neumarkt schließt sich die Instrumentenbaustraße an. Folkies können Eckermann Drums betrommeln, sich Overton Whistles reinpfeifen oder mit MadforTrad-CD-ROMs (-> FW#21, FW#21) fit für das 21. Jahrhundert machen.

Samstag, 18:00
Die Gnade der Geburt am richtigen Ort hat auch Pit Budde in den Ruhrpott versetzt. Pit ist Begründer des Dortmunder Sextetts Manderley, das 1976 behauptet "eine zeitgemäße Form für Volksmusik gibt es nicht. Eine Möglichkeit bietet sich in der Synthese aus volkstümlichen und elektrischen Instrumenten, der Schaffung von Texten in einem der täglichen Umgangssprache nahekommenden Stil einerseits sowie der Verschmelzung von Elementen der traditionellen Volksmusik und der populären Rockmusik andererseits." Umgesetzt wird das 1979 in der Anarcho-Kapelle Cochise und Mitte der 90er-Jahre in der Weltmusikgruppe Radio Ethiopia. Heute spielt er jedoch mit
Karibuni Weltmusik für Kinder (-> FW#19, FW#20) - wenn auf dem Marktplatz auch eher ältere Semester das Bild beherrschen. Auf dem Programm steht Lateinamerikanisches. Ein Cochise-Remake wäre mir persönlich lieber gewesen.

Samstag, 22:00
Die Dresdner Buckijit ("eejit" = irischer Slang für "idiot", der "buck..." ist die Steigerung davon) spielen (und singen gelegentlich) europäische Instrumentalmusik, vom Balkan bis nach Irland. Schön, dass solch eine Band, wenn sie auch keine besonders aufregende Show bietet, es auch mal auf eine Bühne und nicht nur ins Straßenmusikprogramm gefunden hat. Warum wundert man sich eigentlich immer über die Begeisterung für die insulare Musik? Immerhin ist es der Ire Kilian (+689) gewesen, der bis in den Thüringer Wald hinein misionierte (Thüringens "erste und einzige Großgemeinde" heisst - St. Kilian), später der Angelsachse Wunibald (701-61).

Auf dem Markt überziehen die Polen gnadenlos. Mit viel Verspätung tritt Cara Dillon (Oige, The Equation -> FW#22) auf. Durch die überzogene Hype, die um die junge Dame gemacht wird (A New Dillon! har! har!), wird man trotz der engelsgleichen Stimme von der erzeugten Erwartungshaltung zwangsläufig enttäuscht. Der durchgehend ruhige Folkpop ist etwas anstrengend (das schnellste Stück ist noch "Black is the Colour"), auch wegen des Laberpublikums.

Samstag, 23:15
Bei
Hoven Droven (-> FW#6, FW#13, FW#19, FW#19) trifft traditionelle schwedische Fiddlemusik auf das rockige Gewand von Saxophon, Stromgitarre, Bass und Schlagzeug. Der Bandname bedeutet im jämtländischen Slang etwa so viel wie "was-auch-imme. Genauso könnte man auch ihren Stil beschreiben. Nach einem etwas schleppenden Anfang wird die Combo von Stück zu Stück besser. Geiger Kjell-Erik Eriksson schwitzt sich die Seele aus dem Leib. Er spielt nicht auf den Knien, sonst könnte er auch nicht so herumhüpfen. Zwischendurch werden die Kollegen von Triakel zu Gast auf die Bühne gebeten.

Samstag, 1:30
Triakel, photo by The MollisDer rappige Anfang von Los de Abajo treibt mich an das andere Ende des Heineparks. Kein Glück. Der deutsche Folkpreisträger (-> FW#22) in der Sparte "Neue Roots" (d.i. "populäre Musik mit Wurzeln in der Folk- und Weltmusik") sind die Kölner Törnmeister, die laut Eigenbeschreibung "Global Sounds & Electronic Beats" bieten. (Die Klezmerband Di Grine Kuzine ist Gewinner in der Sparte "Globale Roots"; keine Ahnung, wer der dritte Preisträger ist, die Folkpreis-Website schweigt sich auch Wochen später noch aus, geschweige denn, man erfährt etwas über die Preisträger der vergangenen Jahre.) Törnmeister sind ein Lecker-Sachen-Klon. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Raus mit dem HippHopp aus dem Folk, meine ich so ganz persönlich!

Auf dem Zeltplatz kommt ein Mix aus "Lostörndemeisterabajo" an. Gut, dass es tragbare CD-Spieler gibt: "Da kannst du beseligt schnarchen, mein Michel, was willst du noch mehr, mein Michel, was ..."

Sonntag, 11:00
Das Zelt neben mir ist bereits weg. Dafür hat sich dort eine Familie zum Picknick niedergelassen. Selber alles abbauen und verstauen und sich dann noch einmal ins Getümmel stürzen. Im Heinepark bummele ich an den CD-Ständen vorbei: Old Songs New Songs, Kaspar Hauser, Jump Up. "Kauft unsere CD!", hört man auch in Rudolstadt von allen Bühnen. Das ist wahrscheinlich der einzige sichere Weg, einen Musiker mit nach Hause zu nehmen.

Sonntag, 13:30
An der Stiege zum Schluss musizieren
Laridée Französisches. Zum ersten Mal dieses Wochenende schaffe ich es auf den Hausberg Rudolstadts. Bei Triakel (-> FW#9, FW#18) gibt es schwedische Volksmusik mal nicht mit Schwermetall und modernen Beats, sondern den lockenklaren Gesang der Garmarna-Sängerin Emma Härdelin und die sparsame Begleitung des Hoven Droven-Geigers Kjell-Erik Eriksson plus Janne Strömstedt am Harmonium. Aus den populären schwedischen Krimis weiss man ja schon, wie es im Norden so zugeht. Die Tradition bestätigt dies. Der Alltag besteht offenbar nur aus Mord & Totschlag: "This one was sad, the next one is more sadder ..."

Sonntag, 15:00
An "Alternative Country" hat man sich noch nicht dran gewagt, man setzt auf Altbekanntes. Die Lynn Morris Band spielt traditionellen Bluegrass. Auch wenn ich kein Country-Fan bin, und in diesem Idiom erklingt so einiges, finden die halsbrecherische Improvisationen und Solis auf Fiddle und Mandoline mein vollstes Gefallen. "Bluegrass-Musik kennt drei klassische Themen: Grubenunglücke, Eisenbahndesaster und mom and daddy tot", weiss die "Zeit". "Im idealen Bluegrass-Song müssten mom and daddy bei einer unterirdischen Eisenbahnkatastrophe sterben. Dieser Song ist noch ungeschrieben, obwohl es Bluegrass schon über 60 Jahre gibt." Vielleicht sollten sie sich mal mit Triakel zusammentun.

Sonntag, 16:30
Es wettert mal wieder. Die bayrischen Blasmusik-Popper
Haindling feiern das 20jährige Bandjubiläum mit einem Streifzug durch Antikes, Mittelalterliches und Neues. Ein würdiger Abschluss des TFFs. Team-Chef Hans-Jürgen Buchner weckt Erinnerungen an das Live-Album "Meuterei" aus dem Jahre 1985, als er zum Schunkeln - "es ist so, dass da wo Geschunkelt wird, wir niemals hingehn taten, weil Schunkeln einfach was Geschissenes ist; aber da wir so schee beieinander san wie heut" - animiert: "Sollte jemand dabei sein, der heute zu feig ist zum Mitschunkeln, der bereut es spätestens am morgigen Tag. Und dann sieht er sich am Fernseher und sagt sich: ,Da schau hi, das bin i, die feige Sau, die sich nicht ein mal traut hat beim Mitschunkeln.' Und das lasst er natürlich nicht auf sich ruhn, weil er nimmer fertig wird damit. Und dann geht er in Rudolstadt am nächsten Tag, weil er sich denkt, ich muss des mache, sonst kann ich mich nimmer in den Spiegel schauen, dann geht er in Rudolstadt irgendwo aus seinem Haus raus und fängt zum Schunkeln an und wird sofort vom Sanitätswagen abgeholt. Also, nütz mers lieber do herrin aus. Sollte jemand dabei sein, der keine Lust zum Schunkeln hat - braucht er natürlich nicht. Dann muss er sich zwar gegen die Anderen ein bisserl dagegenstemmen, dann schunkelt er zwar wieder, aber in Wirklichkeit schunkelt er - nicht."

Sonntag, 19:00
Rückreise. Wie hieß es doch an der "nicht seh&verstehbaren Landeskränze" von "Klamaukien": "Sie verlassen jetzt unser Land. Nun müssen Sie sehen, wie sie selber klar kommen!" Die ersten Orientierungsschwierigkeiten stellen sich schon am Ortsausgang ein. Aber ich wollte schon immer mal die Burg Greifenstein und das Kloster Paulinzella sehen.

P.S. Na, mit dem Wetter war es doch nicht so schlimm, oder? Jedenfalls meint J. Rohr:

"Hallo, liebe Folkies, lt. Wettervorhersage wird es dieses Jahr in Rudolstadt wohl wieder ähnlich schmuddelig-nass-kühl werden, wie in den vergangenen 3-4(?) Jahren. :-(( Weiß irgendjemand, ob es mal Überlegungen gab, das Festival auf ein statistisch weniger regenreiches Wochenende zu legen? Nicht erst beim letzten Mal habe ich mich ziemlich darüber geärgert, ein echtes Highlight wie etwa Dick Gaughan nicht in einer lauen Sommernacht unterm Sternenhimmel, sondern vor Nässe und Kälte schlotternd vor einem Meer von Regenschirmen zu erleben. Es gibt dieses Mal wieder derart viele Highlights, die ich unbedingt hören will. Aber die Aussicht, auch dieses Mal wieder im Heinepark nachts frierend durch den Matsch zu waten, macht wirklich keinen Spaß. Wäre es - so rein theoretisch - denkbar, RU einfach in den August zu verlegen? Was meint Ihr?"

P.P.S.: Nächsten Jahr wird es die Schwerpunkte Xylophon und Senegal geben. Dazu fällt uns jetzt schon mal Youssou N'Dour, Baaba Maal, Cheikh Lô, Ismael Lô, Mansour Seck und Touré Kunda ein. Das Bala(fon) ist das senegalesische Xylophon. Es gibt aber auch die die lateinamerikanische Marimba oder die südostasiatischen Ranat und Gambang. Der "Tanz des Jahres" soll aber nicht der senegalische "mbalax", sondern der Salsa sein. Da sollten genügend Interpreten zu finden sein, z.B. die senegalesische Salsaband Africando. Nicht zu vergessen, der Regionalfokus Berlin: Mal schauen, was uns da wieder Merkwürdiges angeboten wird.

Photo Credit: Alle Kissenfotos von Tom Keller, alle Musikerfotos von The Mollis: (1) Trebunie Tutki aus dem Polen Special, (2) La Lionetta, (3) Grond, (4) Triakel

Einen weiterer Bericht vom TFF Rudolstadt 2002, "Ein Ägypter und viele Musiker in Rudolstadt", hat Karsten Rube beigetragen.
Das TFF Rudolstadt der vergangenen Jahre in FolkWorld:
2001a, 2001b, 2001c, 2000a, 2000b, 2000c, 2000d, 1999a, 1999b


Zum Inhalt der FolkWorld Beiträge
Zum Inhalt der FolkWorld Nr. 23

© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 9/2002

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