FolkWorld Artikel von Michael & Christian Moll:

Lurch; logo of Lecker Sachen

Ein Interview mit CD und Socken Verlosung
Seltsame, aber Leckere Sachen...

Folk und Hiphop sind verwandt?!


Die Brücke zu schlagen zwischen so unterschiedlichen Musikrichtungen wie Folk und Hiphop, dazu gehört schon so einiges an Ideenreichtum. Lecker Sachen haben dieses Ziel zumindest zum Teil bereits erreicht - ihre Musik geht bei weitem über Folk hinaus; ist aber außerordentlich ausgeklügelt und wird mit viel Pep dem Publikum nahegebracht. Trotz allem (oder gerade deswegen?) sind Lecker Sachen ohne Zweifel eine der vielversprechendsten und spannendsten Bands, die Deutschlands Folkszene seit langem hervorgebracht hat.

"Folkhippop" nennen die Kölner Musiker ihre einzigartige Musik - eben Folk + Hiphop + Pop. Eine Gemeinsamkeit stellen sie gleich heraus: Beide Musikformen kommen "von ganz unten", aus dem tiefsten Inneren - sowohl Hiphop als auch Folk. Lecker Sachen wollen Brücken bauen zwischen den Lagern, "so daß wir uns in der Mitte der Brücke alle zusammen treffen können mit unsere Musik, und zusammen bei Hochwasser (war damals in Köln gerade aktuell; Anm. d. A.) Feste feiern."

Lecker Sachen's Markus; photo by The Mollis Folk nimmt eine ganz besondere Stellung in der Musik der Sachen ein. Fiddlerin Lisi, die einen Irland-Folk-Hintergrund hat, erklärt: "Hiphop ist vor allem das fette Schlagzeug und das Gerappe, aber Folk ist die eigentliche Seele - die ganzen Instrumente, und die flotten Reels, die wir da einbacken, und die folkloristischen Jubeljauchzer dazwischen." Markus ‚Herr Be' ergänzt: "Unsere beiden Herzen - Lisis und meins - schlagen natürlich für den Folk, überwiegend irischen Folk. Unser Hauptaugenmerk liegt im Moment auf Irish Folk, wobei es nicht unbedingt nur irisch sein muß - wir stehen noch am Anfang von dem, was wir machen können; es gäbe sicher auch World Music/Ethno-Strömungen, die man bestimmt einbacken könnte."
"Und was den Hiphop angeht, so kann man nur sagen, daß die wenigsten wissen, was in der Szene abgeht. Wir wissen es im Moment vielleicht auch nicht so wie manche anderen, aber es gibt unglaublich viele Parallelen zwischen der Folkszene und der Hiphopszene." In beiden Szenen gibt es Puristen, und selbst für die gibt es viele Parallelen, die alle gegenseitig entdecken werden können. "Und irgendwann klopfen wir uns alle auf die Schultern, und - ehm - dann hören wir alle Lecker Sachen..."

Lecker Sachen; photo by The Mollis Folkies können ersteinmal beruhigt werden, daß es Markus, dem Schöpfer von Lecker Sachen, früher nicht anders ging als den meisten aus der Folkszene: "Ich habe immer gesagt, Hiphop ist keine Musik." Aber tief in ihm drin haben ihn immer die Grooves im Hiphop beeindruckt - aber das konnte er sich natürlich nicht eingestehen, als jemand aus der Folkszene.
Das Schlüsselerlebnis fand schließlich unter mysteriösen Bedingungen in Irland statt - wo auch sonst. Bei einem Besuch bei Freunden mit Pub in Tipperary blieb Markus zusammen mit einem Freund unvernünftigerweise noch den Abend, bevor am nächsten Mittag sein Flug ging. Am Morgen verschliefen sie natürlich, wachten mit einem ordentlichen Kater auf, und dachten gleich, sie kriegen nie den Flug. "Wir sind daraufhin mit unserem Kumpel in den Pub gegangen - er ist Barman - und dann hat er uns erstmal ein paar frische Pints gezapft. Wir haben uns gedacht: So, jetzt können wir uns nur noch begraben - und apropos begraben - ein Kumpel von ihm ist Totengräber, und den hat er angerufen, und der war der einzige, der bereit war, uns zu fahren, und er ist auch gefahren wie ein Totengräber. Und wir hatten wirklich einen tierischen Schädel, und wir haben gedacht, wir schaffen das nie, wir haben dem auch noch ein gutes Geld in die Hand gedrückt, damit er uns schnell fährt; und plötzlich seh ich vorne bei dem im Fach vor dem Cassettenrecorder eine Cassette, da stand drauf ‚House of Pain'. Und ich wußte: Das sind Iren und die machen Hiphop, und weil's aus Irland kam, war ich aufgeschlossen - bei allem, was aus Irland kam, war ich damals noch romantisch-aufgeschlossen. Da habe ich ihn gefragt, ob wir das mal hören könnten. Und von dem Moment an war da House of Pain, und wir hatten alle extremes Pain in unserem Brain, und der hat das reingelegt, und vom ersten bis zum letzten Ton hat das bei mir nur noch Klick gemacht. Wir haben nur noch die Cassette gehört, und von da an - ist kein Witz - war für mich Hiphop echt klasse. Also am Rande des Nervenzusammenbruchs war alles zusammengebrochen, und dann diese Musik von einer irischen Hiphop-Band - wir waren beide komplett weg."

Lurch; logo of Lecker Sachen Ein weiters Schlüsselerlebnis, das Markus wesentlich beeinflußt hat, war der Auftritt Eileen Eivers mit Paddy Gogo auf dem Ballyshannon Folkfestival in Irland: "Eileen Eivers, eine absolute Persönlichkeit in der irischen Geigenszene, kommt mit ein paar Rappern aus den Staaten, und macht plötzlich so eine Mischung mit Tunes und Hiphop. Viele Leute sind Buh-rufend ´rausgegangen aus dem Festzelt, und mir ist genau das Gegenteil passiert - ich war komplett weg.".

So kam es also zu der Idee, Folk und Hiphop zu vereinigen. Und das Publikum von Lecker Sachen zeigt, daß sich die Szenen schon näher kommen, was auch für Markus selbst noch ein kleines Abenteuer ist. An diesem Abend haben Lecker Sachen in einer der bedeutendsten Institutionen der Ruhrgebiets-Folkszene gespielt, der Kult-Kneipe ‚Sonne', die mit diesem Konzert ihren 21. Geburtstag feierte. "Heute", erzählt Markus, "spielen wir in einem Laden, den ich persönlich kenne aus Folkzeiten, hier habe ich selbst Andy Irvine auf der Bühne spielen sehen damals. Letzte Woche Freitag waren wir in Dülmen im Jugendzentrum auf einer Hiphop-Jam, da waren echt nur Kids, die die fetten Mützen aufhaben, die Hosen - man kennt das ja - also ein ganz anderes Publikum. Und beide finden irgendwo ihr Interesse daran. Zum Teil kommt es auch wirklich vor, daß sich die Leute treffen auf dem Konzert." Wie bei der CD-Präsentation von Lecker Sachen's Debut ‚Im Tal der Infrarotlurche" - da waren Lecker Sachen mit Leuten auf der Bühne wie Johannes Schiefner (uilleann piper von Limerick Junction), und gleichzeitig auch dem DJ Lifeforce von den Coolen Säuen, einer Hiphop Band aus Köln. Sie machten alle zusammen Musik, und die Leute im Publikum gingen mit. "Ich glaube wir haben das Glück - die Lager spalten sich nicht, es ist genau das, was wir wollen: Wir wollen nicht spalten, wir wollen zusammenbrigen. Und z.T. glaube ich, klappt das tatsächlich - das ist natürlich das beste was uns passieren kann."
Vom Alter der Fans her kennt die Musik auch keine Grenzen - Lisi: "Das fängt bei fast schon 9-jährigen an, und geht bis zu meinen Großeltern in Bochum, die sitzen da vor ihrem Grammophon und wackeln mit ihren Hörmuscheln - da geht einem das Herz auf."

Lecker Sachen's Markus; photo by The Mollis Nun kenen ja viele in der deutschen Folkszene Markus Brachtendorf schon als Musiker der Mahones, einer Band, die seit 10 Jahren auf der Pogues/Dubliners-Schiene fährt. Lecker Sachen ist dagegen etwas ganz anderes. Was sagen nun die Mahones-Fans? - "Mahones ist natürlich eine Band, die machen schon seit 10 Jahren - im Gegensatz zu anderen Bands, die in diesem Irish-Party-Folker-Business sind - eigentlich die Musik noch fast genauso wie am Anfang. Und viele Leute wundern sich, wenn sie zu einem Mahones Konzert gehen, und dann zum Lecker Sachen Konzert, weil schon Welten dazwischen sind. Aber das ist auch mittlerweise möglich - die Leute wundern sich, aber sie tolerieren das, sie finden das OK. Heutzutage denken die Leute nicht mehr so in Sparten - diese Grenzen und Lager bauen sich ein wenig ab; als Musiker kann man heutzutage auf der einen Seite dises, auf der anderen Seite jenes machen. Also es ist Verwunderung, und nachher dann Interesse, daß man soviel Sachen macht."

Fest haben Lecker Sachen vor, auch einmal in Irland zu spielen - mit Optimismus für gute Reaktionen dort. "Wir haben des öfteren Besuch von Leuten aus Irland, die jetzt schon öfter mal bei einem Lecker Sachen Konzert waren - die finden das echt cool. Sie sagen: Kommt vorbei. Die Leute, die ich in Irland kenne, die würden sich das anhören. Es ist zum Teil Vorurteil, daß sich die Iren nicht deutsche Musik anhören würden; man hat immer das Gefühl, alles kommt aus Irland, oder aus englischsprachigen Ländern rüber nach Deutschland, und das ist normal. Aber es geht auch komplett anders herum - wenn die Leute die Musik hören, finden sie das gut. In Deutschland ist das vielleicht manchmal anders - wenn Ausländer hingehen und deutsche Musik machen im Ausland, dann empfinden Deutsche das manchmal als Parodie oder zumindest seltsam, weil die Deutschen ein gespaltenes Verhältnis zu ihrer eigenen Kultur haben. Gerade in Irland dagegen habe ich oft erlebt, daß die Iren es fast immer als Kompliment empfinden, wenn man hingeht und ihre Kultur aufnimmt und weiterverarbeitet, und versucht, etwas Neues daraus zu machen. Oder auch einfach nur ausdrückt ‚ich mag Eure Kultur'."

Lecker Sachen; photo by The Mollis Eine spanische Fangemeinde hat Lecker Sachen bereits; Lisi: "Als wir das letzte Mal in Bayreuth waren, da war eine Horde wilder Spanierinnen im Publikum, die haben auf den Tischen getanzt..."

Schließlich schwebt Markus eine große Vision vor Augen. In Zukunft hofft er, daß aus seinen Konzerten lauter Hiphop-Fans kommen, die mit ihren Zipfelmützen auf dem Kopfe mit kleinen blechernen Flöten irische Musik spielen. "Die Vision ist, und das wird auch nicht mehr lange dauern, daß wir auf unseren Konzerten Tin Whistles und Songbooks mit unseren eigenen Tin Whistles und Tunes-Schule verkaufen werden. Ich meine, für die Leute aus der Hiphop-Szene ist das neu, wir kommen da hin mit diesen bunten Flöten und Instrumenten - E-Geige und soweiter - und die Musik kommt eher so aus der Kiste, elektronisch geprägt und so weiter. Wir wollen nun die Leute dazu bewegen, wieder selber Musik zu machen. Das schöne an einer Tin Whistle ist, daß sie nicht viel Geld kostet, jeder kann darauf einigermaßen anfangen, und man hält sich selbst wieder als Musiker." Ihre eigenen Tunes, aber auch traditionals, eben Session Tunes, werden in dem Songbook veröffentlicht werden, und dazu ein paar Hinweise und Spielanleitungen. Vielleicht wird es auch Workshops geben.

Hiphop-Fans, die Session-Tunes auf der Tin Whistle spielen - und was ist mit den Folkies? "Es gibt nach wie vor viele Leute in der Folkszene, für die ist Sprechgesang und so weiter keine Musik und mit dem Gerücht müssen wir auch aufräumen. Wenn die Leute erstmal da sind, dann merken sie ganz schnell: Folk und Hihop sind verwandt, liegen ganz nahe..."

Lecker Sachen - Geheimtip kann man sie heute, nachdem sie den zweiten Platz beim 'Deutschen Rock + Poppreis 1997' erreicht haben, eigentlich schon gar nicht mehr nennen. Für Folkfans sind sie allerdings schon ein Geheimtip.

Photo Credit: All Lecker Sachen Photos by The Mollis


Letzte CD: 'Im Tal der Infrorotlurche'
Mehr Infos zu Lecker Sachen und deren CD auf ihrer homepage, oder von Markus 'Herr B'.


Lecker Sachen CDs und Socken zu gewinnen!:

Lurch; logo of Lecker Sachen Es gibt 2 Exemplare von Lecker Sachens Debut-CD 'Im Tal der Infrarotlurche' sowie ein Paar Original Lecker Socken (der eine Socke orange, der andere rot) zu gewinnen. Die CD und die Socken sind - falls Du nicht gewinnst - direkt bei Lecker Sachen's Markus erhältlich.

FRAGE: Wie heißt der angesehene deutschen Preis, bei dem Lecker Sachen 1997 den 2. Platz gemacht haben?

Diese Verlosung ist leider schon abgelaufen, schaue für aktuellen Verlosungen in der aktuellen Ausgabe nach.


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