FolkWorld Ausgabe 39 07/2009; Live-Bericht von Reinhard Salamonsberger & Jens-Peter Müller
folkBALTICA @ FolkWorld: |
Die 5. folkBALTICA vom 22.-26. April 2009 in Flensburg und der Region Sønderjylland-Schleswig darf von der Zuschauerresonanz, dem Medienecho und dem positiven Feedback der Künstler als ein großer Erfolg bewertet werden. Insgesamt 5000 Besucher – einige hundert mehr als in 2008,
bei einem etwas größerem Angebot von gesamt 41 Veranstaltungen – sahen herausragende Konzerte und Projekte mit insgesamt 10 Deutschlandpremieren. Mit etwa 90 Teilnehmern, darunter viele Jugendliche, waren besonders die Workshops zu norwegischem und finnischem Maultrommelspiel, Gitarre, Folk-Ensemble, Meisterkurs Geige und Tanz sehr gut besucht.
Der Satz, der die 5. folkBALTICA zusammenfasst, stand im Flensburger Tageblatt: „Passion koppeln sie mit Präzision“. Das war auf das herausragende „Trio Mio“ gemünzt, gilt aber für alle Gruppen des Länderschwerpunktes Dänemark und die Künstler aus den anderen nordischen und baltischen Ländern, die nicht nur einmal von Besuchern und Journalisten mit dem Prädikat „weltklasse“ versehen wurden. Für uns deutsche Festivalveranstalter war es eine besondere Freude, wie sich beim Finale in der Flensburger Marienkirche die „heimischen “ jugendlichen Folkgeiger aus Harald Haugaards Meisterkurs und die norddeutsche Gruppe Hans Dans auf das hohe Niveau der durchweg professionell ausgebildeten und als Profis arbeitenden Musiker aus den nordischen Ländern mitreißen ließen und wunderschöne Stücke beisteuerten.
@ www.myspace.com/svangharmonica |
Ein Folk-Veteran auf neuen Wegen: Carl Erik Lundgaard ist seit über 40 Jahren (!) als Akkordeonist, Komponist, Storyteller Produzent und Dozent eine zentrale Figur in der dänischen Folkszene. Lang Linken, Puls, Danish Dia Delight sind die Namen einiger seiner Gruppen, die er in dieser Zeit gegründet hat. In seinem Solo-Programm zeigt er sich als Akkordeon-Virtuose mit traditionellen Stücken und Eigenkompositionen, die er mit unterhaltsamen Geschichten würzt. Jetzt begibt er sich unter eigenem Namen mit seiner Lundgaard Band auf neue musikalische Wege. Drei renommierte Musiker aus der Folk- und Jazzszene begleiten ihn dabei. Die ausschließlich eigenen Kompositionen sind erfüllt von der Liebe zu den Volksmusiktraditionen und den Erlebnissen und Geschichten eines langen Folkmusikerlebens.
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Das dänisch-schwedische Trio begeisterte schon 2006 bei der folkBALTICA und ist jetzt einer der Top–Acts auf der Hauptbühne. Folk-Veteran Jens Ulvsand aus Malmö, der studierte Jazz- Pianist Nikolaj Busk und Dänemarks herausragende Geigerin Kristine Heebøll lassen eine faszinierende Melange aus swingenden Folkmelodien, lyrischen Eigenkompositionen und improvisierten Passagen entstehen. Die CD-Veröffentlichungen des Trios wurden mehrfach mit dem Danish Music Award Folk ausgezeichnet und erhielten euphorische Kritiken. Der Rezensent des Skandinavien-Magazines „Nordis“, Peter Bickel, bezeichnete die Intimität und Fröhlichkeit dieser Musik als „jauchzenden Kammerfolk“.
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Der Harfenist und Rundfunkjournalist Tom Daun aus Solingen ist Absolvent der renommierten „School of Scottish Studies“ der University of Edinburgh als „Master of Music“. So kennt er interessante Geschichten über die musikalischen Traditionen der Pilger und über die Kunst an den europäischen Königshäusern. Neben den vielfältigen Handelskontakten quer über die Nordsee sind vor allem die Vorlieben von König Christian IV. dafür verantwortlich, dass englische Tänze wie Jigs und Reels, Einzug am Hofe und in die dänische Volksmusik fanden.
Das nächste folkBALTICA-Festival findet am 21.-25. April 2010 statt. |
"Überlasst die Musik den Deutschen"
Leicht errötend werde ich mir bewusst, wie fantastisch das wirklich ist - und wie tragisch vielleicht auch. Die Deutschen haben keine Tradition. Das sagen sie selbst. Deswegen sind sie so wild auf Skandinavisches, Irisches, Britisches, Amerikanisches, auf Balkanrhythmen, Klezmer ... ja auf alles, was ein bisschen anders klingt. Natürlich haben sie eine Tradition. Wolfgang Meyerings "Malbrook" ist ein gutes Beispiel. Der Länderschwerpunkt der folkBALTICA lag in diesem Jahr auf Dänemark. Das kann man als ein Resultat der geglückten Arbeit des dänischen Musikexports sehen, die ihren Anfang Mitte der 90er Jahre nahm. Das junge dänische Folk-Revival nahm Fahrt auf. Das gleiche tat auch die Musik, oftmals in solchem Maße, dass man die jungen Bands bitten musste, etwas langsamer zu spielen, damit man einen Hopsa noch ordentlich tanzen kann. Im Laufe weniger Jahre haben die dänischen Folkmusiker ihre Minderwertigkeitskomplexe abgelegt. "Dänemark hat so etwas wie eine Volksmusiktradition nicht", war die verbreitete Meinung - auf jeden Fall nicht so wie die Schweden, Finnen, Norweger und die Iren. Wir können richtig viel von den Deutschen lernen. Offenheit und Neugierde. Wir können lernen, wie man ein Festival macht, wo Qualität ausreicht, um das Publikum in Bewegung zu setzen. Wir können lernen, wie aufrichtiges Interesse und Liebe zur Musik wichtiger sind als lange Diskussionen darüber, wie schnell man einen Hopsa spielt oder ob es noch "richtige" Folkmusik ist, wenn eine E-Gitarre in der Band ist. Wir können vielleicht die Deutschen lehren, keine Angst zu haben vor ihrer eigenen Tradition. Die Landstreicher, ein Ensemble der Musikschule Flensburg, das aus jungen Geigern und einem Kontrabassisten besteht, bewiesen großes Talent. Aber ihr Repertoire bestand hauptsächlich aus finnischen Stücken. Selbst wenn die Ausführung hervorragend war, könnte es richtig gut werden, wenn die jungen Musiker irgendwann Hand an die deutsche Musik legen würden, die alten Notenbücher ausgraben, neue Melodien schreiben und die Tradition weiterentwickeln. folkBALTICA war ein ganz großes Erlebnis. Ich habe sowohl Trio Mio und Tumult viele Male gesehen, aber es war eigentlich das erste Mal, dass ich ein so gefesseltes Publikum erlebt habe. Kein Zweifel: folkBALTICA ist das größte und wichtigste dänische Folkfestival in 2009. Dänische Musik kann man im Ausland sehen, und Flensburger Pils "ploppt" man in Flensburg, wo alle froh sind, weil die Sonne scheint und weil es dort Leute gibt, die Lust haben, Musik und Kultur zu präsentieren, aus dem simplen Grund, weil sie es nicht lassen können. Ich schlage vor: Überlasst die dänische Musik den Deutschen. Sie wissen sie zu schätzen, und wenn sie immer noch meinen, keine eigene Tradition zu haben, dann: "Bitte schön"! (Søren Lund, www.rootszone.dk; Übersetzung: LAG Folk SH) |
Photo Credits:
(1) Carl Erik Lundgaard,
(2) Sväng,
(3) Leschenko Orchester,
(4) Tom Daun,
(5) Trio Mio
(by folkBALTICA).
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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 07/2009
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