FolkWorld Ausgabe 36 07/2008; Live-Bericht von Karsten Rube


Eine musikalische Postkarte
Dona Rosa @ Maschinenhaus der Kulturbrauerei Berlin, 09. März 2008

Wer ein Konzert von Dona Rosa besucht, bekommt das Gegenteil von dem geboten, was man normalerweise unter dem Begriff Show versteht. Auf der Bühne sitzt eine kleine, dicke Frau mit einer Triangle, die ihre Lieder singt. Sie lächelt scheu und macht keine Anstalten, während des Abends etwas anderes darstellen zu wollen als eine kleine, dicke Frau, die ihre Lieder singt.

Dona Rosa ist blind und das bereits seit ihrem vierten Lebensjahr. Die bunte Welt der Showbühnen ist für sie eine rein akustische Welt, in der sie die Hauptperson ist. Wenn sie erstmal von einem ihrer begleitenden Musiker auf ihren zentral auf der Bühne
Dona Rosa
Dona Rosa @ FolkWorld: FW #16

Icon Sound @ myspace.com, jaro.de
stehenden Stuhl geführt wurde, dann bildet sie sofort ein Zentrum, dem man sich schwer entziehen kann. Das liegt zum einen am ungewöhnlichen Äußeren - ich habe noch nie jemanden auf der Bühne gesehen, dem Eitelkeit so fremd war - zum Anderen und Hauptsächlichen liegt es an ihrem Gesang.

Dona Rosa singt folkloristische Lieder aus Portugal. Das ist mal dicht am Fado und dann wieder dicht am Chanson. Lieder, wie man sie bei der Arbeit singt, Lieder wie man sie singt, wenn einem Trauer das Herz schwer macht, und Lieder voller Fröhlichkeit und Wärme, die die Sonne Portugals in sich tragen.

Dona Rosa vermag es a cappella zu singen. Das muten sich zwar inzwischen einige Künstler zu, doch selten ist es frei von Unbehagen. Bei Dona Rosa ist der Gesang, den sie bestenfalls mit einer Triangel begleitet, so rein und unbeschwert wie die Erzählung der Großmutter beim Kartoffelschälen. Man hört einfach gebannt zu und kommt gar nicht auf die Idee, an der Interpretation herumzunörgeln.

Bei den meisten Liedern ihres Programms “Alma livre” wird sie von drei Musikern begleitet. João Dores am Akkordeon ist ein sehr inniger Musiker, dem der Kontakt mit seinem Instrument mehr bedeutet als der mit dem Publikum. Kaum einen Blick verschwendet er nach vorn, stimmt sich nur gelegentlich mit der Perkussionistin ab und spielt für den Augenblick.

Die Perkussionistin heißt Sofia Borges. Sie ist eine junge, dunkelhaarige Frau, die ein bisschen so wirkt wie die jungen Kellnerinnen in Lissabons Terrassencafés. Denen wird auch eingeredet, zunächst streng zu gucken, bevor sie den Gast mit offenen Armen empfangen. Eine anfängliche Zurückhaltung, die wahrscheinlich auf Lampenfieber zurückzuführen ist; Lampenfieber, weil sie im Winter im überheizten kleinen Maschinenraum der Kulturbrauerei spielen, vor einem Publikum - dem Berliner Publikum -, das in der Welt der Folkmusikszene als ein sehr offenes, aber nicht leicht zufriedenstellendes berüchtigt ist.

Ihre Perkussion ist einmalig. Sie bedient eine Art eckige Pandereita. Diese Form des Tambourins blieb in Portugal traditionell den Männern vorbehalten. Dona Rosa 'Alma Livre' Sie begeht dieses Sakrileg mit sichtlicher Freude, wie sie nicht versäumt, in einem sympathisch holprigen Englisch zu erklären. Vor ihr befindet sich eine Trommel, die sie auf eine Weise spielt, wie man es nur erlernt, wenn man damit auf den Marchas Populares die Avenida da Liberdade herab promeniert. Am originellsten ist die selbst gebaute Klapperstange aus Muscheln und der Schellenbaum aus klingenden Sicherheitsschlüsseln.

Traditionelle portugiesische Musik kommt nicht aus ohne das wichtigste Instrument des Landes, die guitarra portuguesa. Nichts ist so kompliziert wie die Einfachheit und Raul Abreu ist ein Virtuose auf diesem Instrument, der diese Einfachheit beherrscht. Extravagante Spielereien oder ausufernde Instrumentalsolos, die häufig nur blanke Angeberei sind, fehlen hier völlig. Stattdessen erklingt seine Gitarre so hell, dass mir die weißen Häuser und Windmühlen im Alentejo in den Sinn kommen.

Das klingt schon beinahe ein bisschen wie eine musikalische Postkarte. Doch davon braucht man sich nicht beirren lassen, denn Dona Rosa und ihr Ensemble machen das, wozu sie sich berufen fühlen: Sie tragen Lieder vor, die so einfach und so ergreifend sind, dass einem erst beim Verlassen des Konzertsaals wieder klar wird, wie kompliziert der ganze Rest ist.

Photo Credits: (1) Dona Rosa (by Karsten Rube); 'Alma Livre' album (by Jaro).


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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 07/2008

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