FolkWorld Ausgabe 34 11/2007; Photo-Report


A Decade of Folk A Decade of Folk

A Decade of Folk

Bardentreffen Nürnberg



Nuremberg, Germany

Schon mal von einem Weltmusik-Festival gehört, das mitten in der City einer Großstadt stattfindet? Von einem Stadtfest, dessen Musikprogramm auf Folk basiert? Von einem erstklassigen Festival, dessen Programm 2007 selbst Rudolstadt in den Schatten gestellt hat und das keinen Eintritt kostet? - Das ist Realität, nämlich beim Bardentreffen in der fränkischen Metropole Nürnberg.

Bardentreffen 2006

www.bardentreffen.de

Bardentreffen 2004

Hazmat Modine 2007
Hazmat Modine (2007)

Das Cover von Hazmat Modines Debüt-Album "Bahamut" ziert eine ungewöhnliche Mundharmonika mit mehreren Schall-Trichtern. Sie ist kein Phantasieprodukt. Es gibt sie wirklich. Sie wurde entwickelt, um lautere Töne zu erzeugen. Zwei Harmonikas geben bei der New Yorker Band denn auch den Ton an. Sie führen einen Dialog, der begleitet wird von einer Tuba, einer Trompete und einem Saxofon. Nichts als heiße Luft, wie Modine, die Bezeichnung für eine große kommerzielle Heizung, implizieren könnte, kommt dabei allerdings nicht heraus. Ganz im Gegenteil. Die Musik von Hazmat Modine gehört zum Innovativsten, was die Blues-Szene der letzen Jahre hervorgebracht hat. Hazmat Modine schöpfen aus dem reichen Fundus amerikanischer Musik. Und diese Musik verbinden sie mit verschiedenen Stilen der Weltmusik zu einem einzigartigen, nahezu weltfremden Klang.

I Cantori di Carpino 2004
I Cantori di Carpino (2004)
Tancaruja 2004
Tancaruja (2004)
I Cantori di Carpino sind die Hüter der außergewöhnlichsten und faszinierendsten Tarantella-Musik, die Süditalien zu bieten hat. Charakteristisch für diese Gargano Tarantella sind raffinierte Melodien und Texte von großer poetischer Kraft, die mit dem Klang der Chitarra Battente, der Schlaggitarre, verschmelzen. Die Gruppe, in der sich um den 90-jährigen Andrea Sacco und die Veteranen Antonio Piccinino und Antonio Maccarone fünf junge Musiker gesammelt haben, liefert zu temperamentvoller Volksmusik auf hohem Niveau den Beweis, dass die Tarantella eine Brücke zwischen den Generationen schlagen kann. Tancaruja ist das Projekt von Komponist, Autor, Sänger und Multi-Instrumentalist Pino Martini und Ergebnis seiner jahrelangen, intensiven Studien sardischer Musik und Dichtkunst. Martini bereichert die traditionelle sardische Musik um neue Inhalte und lässt sie mit fremden Klängen verschmelzen. Tancaruja schickt die leidenschaftlichen Liebeslieder, schmeichelnden Wiegenlieder und die geistliche Musik Sardiniens hinaus in die globale Musiklandschaft. Mehrstimmiger sardischer Gesang, Folkgitarren und Mandolinen reiben sich an treibenden Mahgreb Rai Sounds und westafrikanischer Percussion, um urplötzlich in Acoustic Jazzfusion zu kippen, bevor die Gänsehaut-Harmonien der Liebeslieder wieder den Kreis schließen.

Ahmed ma hlad 2005
Ahmed má hlad (2005)

Achmed hat Hunger nennt sich dieses kuriose Septett aus Tschechien auf deutsch übersetzt. Der eigenwillige Name ist dem Titel einer gleichnamigen Novelle des tschechischen Schriftstellers J. R. Vávra entliehen. Zu den Quellen ihrer Inspiration zählen osteuropäische Folkweisen ebenso wie der Sound der tschechischen Punk Rock Legende Hrdinové Nové Fronty und die Songs der russischen Kultgruppe Kino. Ihre Musik ist eine aufregende Mischung aus traditionellen Folkklängen aus ganz Südosteuropa und den Einflüssen neuerer Punkmusik. Ahmed má hlad hat dieses wunderbare Material wiederbelebt und in völlig neue Arrangements gegossen.

Jaune Toujours 2005
Jaune Toujours (2005)

Jaune Toujours – immer gelb? Angeblich hat Piet Maris, Gründer, Sänger und Akkordeonist von Jaune Toujours, die Band nach einem akuten Hepatitis-Anfall benannt. Vielleicht, weil die Weltmusik der Belgier so ansteckend ist. Und im Gegensatz zur Krankheit, kann man sich von ihr getrost infizieren lassen. Auch wenn auf Risiken und Nebenwirkungen, wie wund getanzte Füße, an dieser Stelle hingewiesen werden muss. Zuhause sind Jaune Toujours in Brüssel und wie die Stadt ist die Band eine explosive Mischung der Kulturen, Sprachen und Musikstile: Rock, Chanson, Ska, Balkan- und Brass-Sound, bei dieser Gruppe geht alles.

LéOparleur 2007
LéOparleur (2007)

Von der Band LéOparleur wird gerne behauptet, sie spiele in der Tradition von Mano Negra und Les Negresses Vertes. Die Quelle, aus der die Bandgründer und Brüder Josef und Simon Oster schöpfen, heißt aber weniger Patchanka, sondern vielmehr La Krutenau. In diesem Stadtviertel von Straßburg leben Araber, Kurden, Osteuropäer, Südafrikaner, Türken, Franzosen und viele andere Volksgruppen. Hier hörten die Brüder abends die Musik der Manouches, wie man in Frankreich die aus Mitteleuropa eingewanderten Zigeuner nennt. Geblieben aus dieser Zeit ist LéOparleur die für die Gypsy-Musik typische Mischung aus Tristesse und Heiterkeit, aus Geschichten ohne Happy End und einer Musik, zu der man tanzen kann. Trotzdem machen LéOparleur nichts als Chansons. Sie verkleiden sie nur, damit man es nicht sofort merkt.

Alan Stivell 2007
Alan Stivell (2007)

Er ist Bretone und Weltbürger, seine Musik fest in der keltischen Tradition verwurzelt und dabei dem Fortschritt und der Musik anderer Kulturen gegenüber aufgeschlossen. Alan Stivell versucht Tradition und Moderne, kulturelle Identität und Weltoffenheit in Einklang zu bringen. In den 1970er Jahren hat er die bretonische Harfe weltweit bekannt gemacht und als technikbegeisterter Musiker später selbst elektrische Varianten des Instruments entworfen und gebaut. Alan Stivell schätzt aber nicht nur die eigenen musikalischen Wurzeln, sondern auch die kulturelle Vielfalt. Nun in den Titeln von "explore", in denen Blues, Rock, Jazz, osteuropäische Klänge, Raga und HipHop anklingen.

Richard Thompson 2007
Richard Thompson (2007)

Er war noch im Teenageralter, als er die legendäre Folkgruppe Fairport Convention gründete. Mit 22 Jahren veröffentlichte Richard Thompson sein erstes Solo-Album und heute kann der Brite auf gut vier Jahrzehnte in der Musikbranche zurückblicken, in der er zu den ganz Großen gehört. Der Rolling Stone zählt ihn zu den Top 20 Gitarristen aller Zeiten und in Großbritannien erhielt er für seine Lebensleistung im vergangenen Jahr den BBC Lifetime Achievement Award. Seine Songs sind etwas ganz besonderes und werden gerne von anderen Musikern gecovert oder neu interpretiert.

Gráda 2007
Gráda (2007)

Für die Irish Times ist Gráda die angesagteste New Traditional Band überhaupt. Die Zeitung bescheinigt der Band, ein Schrittmacher zu sein, der genügend Dampf hat, die Konkurrenz hinter sich zu lassen. Vor allem das junge Publikum ist begeistert von der modernen Folk Roots-Musik, von Grádas ebenso betörendem wie tanzbaren Mix aus irischem und bretonischem Folk, gewürzt mit Elementen osteuropäischer Musik. Gráda das sind innovative Klänge virtuos instrumentiert, zeitlos schöner Gesang des Riesentalents Nicola Joyce und erfrischend moderne Klangvisionen.

Old Blind Dogs 2005
Old Blind Dogs (2005)

Dass Prince Charles ein Fan der Old Blind Dogs ist, dürfte viele überraschen. Ihrer mitreißenden Folkmusik kann sich kaum einer entziehen – auch ein Kronprinz nicht. In Aberdeenshire an der schottischen Nordostküste haben sich die Old Blind Dogs 1990 zusammengeschlossen und seither ihren Stil immer mehr verfeinert. Mit der wundervollen Fiedel von Jonny Hardie, dem meisterhaften Dudelsackspiel von Rory Campbell, dem feinen Gesang von Jim Malcom, den Weltmusik-Rhythmen von Fraser Stones Schlagwerk und dem inspirierenden Aaron Jones an Bassgitarre und Bouzouki erwecken sie mit der ihnen eigenen Wucht alte schottische Lieder und Klänge zu neuem Leben und führen ihre keltische Tradition an neue, aufregende Orte.

Gudrun Walther/Deitsch 2006
Deitsch (2006)

Die Zeit ist reif für ein Deutschfolk-Revival! Davon sind Gudrun Walther und Jürgen Treyz überzeugt. 2005 haben die seit Jahren mit anderen Gruppen und als Solisten erfolgreichen Musiker Deitsch aus der Taufe gehoben und ein Album mit überwiegend traditionellen deutschen Liedern und Instrumentalstücken veröffentlicht. Ein Projekt, das auch dazu beitragen will, einheimisches Liedgut nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, sondern in zeitgemäßem Arrangement wieder salonfähig zu machen. Produziert in einem modernen Tonstudio, gespielt von hochkarätigen Musikern. Musikern wie Johannes Uhlmann, Herbert Wachter und Henrik Mumm, die beim Bardentreffen zusammen mit Walther und Treyz auf der Bühne stehen werden.

Göttler, Raith, D'Raith Schwestern 2006
Göttler, Raith, D'Raith Schwestern (2006)

Frech, g‘schert und lustig geht’s zu, wenn sie die Bühne stürmen und ihre unverschämten baierischen Wirtshauslieder, selbsterfundenen Couplets und G‘stanzl zum Besten geben: die beiden Urgesteine der baierischen Kleinkunstbühnen Otto Göttler vom Baierisch Diatonischen Jodel-Wahnsinn und der Liedermacher Sepp Raith, dessen Oberpfälzer Namensvetterinnen die Raith-Schwestern und ihr angeheirateter (Andi) Blaimer.
Christoph Weiherer 2007
Christoph Weiherer (2007)
Mit Steirischer, Gitarre, Tuba und einem frechen Mundwerk bewaffnet erklimmen die beiden gestandenen Weibsbilder mit ihrem Gefolge die Bühne und fegen mit donnergewaltigen Stimmen alle Vorstellungen von heimtümelnder Volksmusik beiseite: Volksmusik lebt, sie ist aktuell, spritzig und beansprucht die Lachmuskeln bis zur Schmerzgrenze. [
www.unverschaemte-wirtshausmusik.de]

Christoph Weiherer hat keinen Plattenvertrag, kein Management und spricht kein Hochdeutsch. Alleine mit seiner Gitarre steht er auf der Bühne, singt rotzfreche Lieder und erzählt Geschichten, die sich um Grundlegendes wie Geburt und Tod, Liebe und Hass, Freud und Leid, Gut und Böse drehen oder um die Politik. Folkmusiker, Protestsänger, Politbarde, Liedermacher, Musikkabarettist und Geschichtenerzähler hat man den sympathischen Bayer deshalb schon genannt. Auch Querulanten, Rebell oder gar einen Kämpfer mit der Klampfe. Was er in der heutigen Zeit durchaus als Kompliment versteht und was nicht zwangsläufig darauf schließen lässt, dass man es hier mit einem verbitterten jungen Mann zu tun hat. Mit knochentrockenem Humor bringt Weiherer sein Publikum zum Lachen, auch wenn dieses kurz darauf im Halse stecken bleiben mag.

Wolfgang Buck 2006
Wolfgang Buck (2006)

Das Leben als Fluss und das Leben am Fluss haben Frankens zweifellos besten Mundartsänger (Nürnberger Nachrichten) beschäftigt. 2006 lässt sich Wolfgang Buck als Flusszigeiner treiben und beobachtet mal genüßlich, mal ironisch oder grantig die Geschäftigkeiten am Ufer.
Hans-Eckhardt Wenzel 2007
Hans-Eckhardt Wenzel (2007)
Er besingt die lustige Hatz der Pressemeute auf vorher selbst gemästete und geküblböckte Wildsauen, wird vom Teufel versucht, der angesichts berühmter Steuerflüchtlinge den Rat gibt Bscheiß doch aa!, und sieht allenthalben das Land überschwemmt von Soß´, Zuckerwatte und Narkotika. Begleitet wird Wolfgang Buck von zehn hochkarätigen Musikern, die mit ihrem pulsierenden Groove und ihrem stimmungsvollen Sound seine witzigen, liebevollen und bösen Songtexte ideal ergänzen.

In der deutschen Lied- und Kulturszene ist Hans-Eckhardt Wenzel eine feste Größe. Seit gut 30 Jahren prägt er sie grundlegend mit – als Sänger und Musiker, Komponist und Kabarettist, Autor und Regisseur. Mit Steffen Mensching trat er gut zwei Jahrzehnte als Musikclown-Duo auf, anfangs in der DDR, später im vereinten Deutschland. Bassist Cornelius Ochs und Gitarrist Hannes Scheffler tragen neben Schlagzeuger Friedrich Hentze und Posaunist Edgar Manyak diesen Sommer zur unverkennbaren Wenzel-Weltmusik bei, einer kraftvollen Mischung aus Rock, Folk, Balkan-Sound, Lied und Pop. Eine Mischung, die sich nicht zuletzt durch die bestechend poetischen, gestochen scharfen, niemals politically correcten oder Zeitgeist-kompatiblen Texte von Wenzel auszeichnet.

Die Texte wurden mit freundlicher Genehmigung den Programmheften der Bardentreffen 2004-2007 entnommen.

Das Bardentreffen findet immer am ersten Wochenende der bayerischen Schulsommerferien statt. Geplanter Termin für das nächste Bardentreffen: 1. bis 3. August 2008.

Photo Credits: (1) Nürnberg, (2) St. Katharina, (6) Ahmed má hlad, (7) Jaune Toujours, (8) LéOparleur, (10) Richard Thompson, (11) Gráda, (12) Old Blind Dogs, (13) Deitsch, (15) Weiherer (17) Wenzel (by Walkin' Tom); (4) I Cantori di Carpino, (5) Tancaruja (by Christian Moll); (3) Hazmat Modine, (9) Alan Stivell, (14) Göttler, Raith, D'Raith Schwestern, (16) Wolfgang Buck (by Bardentreffen).


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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 11/2007

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