FolkWorld Ausgabe 32 12/2006; Artikel von Valentin Arnold


Drei Stunden Schlaf ...
Folkmusic-Camp ETNO HISTRIA '06

Wer das Glück hat, nächstes Jahr 25 Jahre oder weniger zu zählen, der sollte sich die folgenden Zeilen genauer durchlesen! Heuer fand Anfang August im kleinen Dorf Skofije bei Ankaran im Süden Sloweniens zum vierten Mal "Etno Histria" statt: ein gut einwöchiges Folkcamp, zugleich eines von mehreren europäischen "Ethnos", die seit einigen Jahren im Sommer Anziehungspunkt für junge und begeisterte MusikerInnen zwischen 16 und 25 Jahren sind, mit dem Sinn und Zweck, sich untereinander in Sachen Volksmusik und Folk auszutauschen, kennenzulernen - und natürlich, um Musik zu machen.

Etno Histria '06, www.etnohysterics.tradivarium.at Über 60 talentierte Musiker und Musikerinnen aus England, Belgien, Schweden, Dänemark, Estland, Tschechien, Slowakei, Österreich, Slowenien, Zypern, Uganda, Chile und Brasilien waren in Slowenien vertreten (keine 100%ige Gewähr auf Vollständigkeit). Leiter unserer "Österreichfraktion" war Stephan "Stoney" Steiner, dem ich an dieser Stelle gleich für die tolle Organisation der EDV und unseres Haufens danken will.

Die Zentrale des Geschehens bei Etno Histria ist eine Schule (wie bei den meisten Ethnos), was anfangs vielleicht "belehrend" wirkt. Nach 2 Tagen fühlt man sich aber richtig wohl und vergisst, dass man sich an einem Ort befindet, den man nach der Matura normalerweise nicht mehr betreten möchte (was aber auch am akuten Schlafmangel liegen kann). Jedenfalls ein guter Ort, um voneinander zu lernen und gemeinsam zu musizieren - was wohl die wichtigsten Aspekte bei Ethnos sind.

Tagesablauf / Highlights

Um ca. 8 Uhr wird man musikalisch geweckt, eine täglich wechselnde Gruppe MusikerInnen geht durchs Schulhaus und spielt den anderen ein Morgenlied, dann folgt ein üppiges Frühstück und im Anschluss gibt's ein paar auflockernde Spiele, um munter zu werden. Richtig los geht's dann mit dem "morning tune", um sich gemeinsam zu finden.

Etno Histria '06, www.etnohysterics.tradivarium.at Anschließend starten die Workshops der einzelnen Länder, hier werden in ca. einstündigen Einheiten von jedem Land 2 bis 3 Musikstücke präsentiert, ein tanzbares Stück und ein Tune mit Gesang (nicht ausnahmslos). Im Endeffekt waren es um die 25 Tunes bzw. Lieder, die wir allein in den Workshops gelernt haben. Erfreulich die allgemeine Aufmerksamkeit aller Teilnehmer: Störenfriede gab es keine und in allen Workshops wurde stets mit jeder Menge Spaß und Konzentration gearbeitet.

Nach dem Mittagessen ist dann rund 2 Stunden Zeit um sich zu erholen oder sich in die zahlreichen Sessionräume zurückzuziehen um ... ja klar, Sessions zu spielen, oder die gelernten Tunes zu wiederholen. Vor allem in der zweiten Hälfte der Woche eine gute Gelegenheit, ein wenig Schlaf nachzuholen, war ich anfangs doch nicht im Stande, auch nur eine Sekunde an Schlaf zu denken - nach dem Motto "nur keine Session verpassen".

Am Nachmittag geht's dann wieder weiter mit Workshops bzw. Freizeitprogramm (z.B. Schwimmen im Meer, 3km von der Schule entfernt), danach Abendessen und dann die jeweiligen Abendveranstaltungen. So gab es bereits am 2. Abend einen Umzug durch Skofije, um die Einwohner auf uns aufmerksam zu machen, gespielt wurden da schon die Tunes aus den Workshops. Tags darauf dann ein Tanzabend vor der Schule, ein Frauenchor aus dem Ort und ein Folktrio aus Slowenien spielten ebenfalls kurze Gastkonzerte, und im Anschluss wurde dann von (fast) jedem Land ein Tanz präsentiert. Hier fällt dann auch so richtig auf, wie unterschiedlich die Kulturen und Rhythmen der verschiedenen Länder sind (die Schrittfolge des 11/8 Tanzes aus Zypern ist mir leider wieder entfallen). Toll waren auch die Vorträge über die musikalische Geschichte Istriens bzw. Zyperns, generell hat man viel über die Traditionen anderer Länder erfahren (beliebter Zeitvertreib in Uganda: Hippolaufen).

Etno Histria '06, www.etnohysterics.tradivarium.at Nach den Abendveranstaltungen begannen dann die nächtlichen Sessions (ein Aufnahmegerät ist hierfür sehr empfehlenswert!) - hier vergisst man leider schnell die Zeit und will gar nicht aufhören, wenn man erst einmal angefangen hat. So bemerkt man dann mit den ersten Sonnenstrahlen, wie spät es ist ... Somit ergab sich eine durchschnittliche Schlafdauer von 3 Stunden.

Insgesamt spielten wir 4 Konzerte, welche allesamt großartig waren. Trotz des ziemlich wechselhaften Wetters gab es kaum Probleme mit den Instrumenten und der Organisation (was bei so vielen MusikerInnen doch erstaunlich ist). Ich kann eigentlich keines der Konzerte favorisieren, jedes war für sich einzigartig und wunderschön, die Auftrittsorte waren stets unterschiedlich (mal in einem kleinen Dorf anlässlich seiner 800-Jahresfeier, mal in einer idyllischen Hafenstadt unter einer Art Viadukt, dann wieder in einem großen Park im Zentrum von Ljubljana, zum Abschluss ein Konzert in einem alten Theater). Ich habe überhaupt noch nie zuvor ein solches Gefühl der Gemeinsamkeit beim Musizieren erlebt wie in dieser Woche, jede(r) gab stets sein Bestes und ich hatte eigentlich die ganze Zeit über das Gefühl mit der Musik zu spielen und nicht umgekehrt.

Andere Ethnos?

Etno Histria '06, www.etnohysterics.tradivarium.at Ethnos gibt es ja inzwischen jede Menge, z.B in Belgien, Schweden, England oder Zypern. Für mich ist ein direkter Vergleich zu anderen Ethnos nicht möglich, da dies mein erstes war - die richtigen "alten Ethnohasen" waren aber ebenso begeistert von der familiären Stimmung und Leitung bei Etno Histria 06, wie die Neulinge. Trotz der recht lockeren Führung seitens der Veranstalter kamen die Teilnehmer recht pünktlich zu den Workshops und es kam auch sonst nicht zu gröberen Zwischenfällen. Weiters gab es auch keine wirklichen "Gruppenbildungen", wie das auf anderen Ethnos öfters der Fall sein dürfte - bei Sessions trafen sich stets andere MusikerInnen und man hatte eigentlich kaum das Gefühl, dass sich die Teilnehmer einzelner Länder ausgrenzen.

Die - meiner Meinung nach - einzigen Negativpunkte an diesem Fest: man will nicht mehr heimfahren und es ist schwer alle neu gewonnenen Freunde zu besuchen ...

Wer sich selber ein Bild machen will, der sollte mal einen Blick auf folgende Seite wagen: www.etnohysterics.tradivarium.at.

Zuerst erschienen im EuRoots Folk/World-Newsletter September 2006. Valentin Arnold ist Musiker, u.a. bei den Gruppen Joculatores Primae Noctis, Trollferd, Sagentöter und Riharc Smiles.

Photo Credit: (1)-(4) Etno Histria-Impressionen (taken from website).


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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 12/2006

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