FolkWorld Live Review von Michael Moll

30 Jahre Tønder Festival
Ein nasses Festival mit hervorragender Musik


Wellies for sale, photo by The MolliesZur 30. Ausgabe des FolkWorld Magazins darf natürlich nicht ein Bericht vom 30. Tønder Festival fehlen. Nach einigen Jahren habe ich es dieses Jahr endlich wieder geschafft, die vier Tage Ende August 2004 voll gefüllt mit hervorragender Musik zu erleben. Es war nass, matschig, aber die Atmosphäre und die Musik waren so gut wie eh und je.

Bei meiner Ankunft am Esbjerger Flughafen regnet es in Strömen; auf der Fahrt nach Tønder sieht man nicht viel, so dicht ist der Regen - alles was man sieht sind tiefe Pfützen auf den Strassen und überschwemmte Felder. Die Dänin, die mich nach Tønder fährt, schlägt vor, ich könnte auf einem der Hügel, die oft in der Mitte von Kreisverkehren angelegt sind, mein Zelt aufschlagen. Ich sehe schon vor mir, wie ich im strömenden Regen in tiefem Schlamm mein Zelt aufschlage. Wellies in the audience, photo by The MollisAlles in allem habe ich aber Glück - gerade als ich mit meinem Zelt mich durch den Schlamm zum Zeltplatz vorgearbeitet habe, hört es auf zu regnen. Noch ein Schauer folgt, aber dann kein Regen mehr bis Sonntag nacht! Die Läden in Tønder haben vollen Nutzen des schlechten Wetters gemacht - man findet vor den Schuhläden ein grosse Auswahl von Regenstiefeln. Während des Festivals kann man an Festivalbesuchern eine Vielfalt von Schuhwerken sehen - von Gummistiefeln über Sandalen, in denen erdige Füsse zu sehen sind, bis zu komplett vom Schlamm unerkenntlich gemachte Trainers. Trotz allem ist die Atmosphäre hervorragend, und alles läuft nach Programm - auch wenn am Sonntag und Montag Traktoren die Wohnwagen aus dem Zeltplatz ziehen müssen.

Danu in the Visemollen, with John Sheahan, photo by The MollisMusikalisch hatte Tønder Nr. 30 wiederum jede Menge zu bieten. Etliche alte Favoriten waren da: The McCalmans brachten ihre übliche Mischung aus schottischem Humor und Tradition; J. P Cormier aus Kanada beeindruckte, begleitet von seiner Frau Hilda Chiasson-Cormier am Piano mit seinen einmaligem Talent auf Saiteninstrumenten, Danú bewiesen wieder einmal, dass sie die beste traditonelle Band Irlands sind. Lúnasa machten ihr - ziemlich spätes - Debut in Tønder; ihre bewährte Mischung aus innovativ arrangierten und perfekt gespielten Instrumentalstücken aus keltischen Regionen, mit Schwerpunkt auf Irland, beeindruckte auch das Tønder Publikum.Danú's Late Night Auftritte in der Visemøllen sind legendär, und dieses Jahr gab es eine Neuauflage, mit so vielen Gästen wie nie zuvor.

Karen Mose & Helene Blum, photo by The MollisDie Konzerte unter dem Titel "The Young Generation" am Samstag nachmittag in Zelt 1 und 2 waren für mich ein Höhepunkt des Festivals. Die Konzerte hatten dieses Mal zwei Schwerpunkte - auf Schottland, aber vor allem Dänemark. Vor allem die Band um Karen Mose & Helene Blum beeindruckte - Karen und Helene sind hervorragende dänische Sängerinnen mit viel Bühnenpräsenz; in ihrer hockarätigen Band sind unter anderem Harald Haugaard und Morten Alfred Høirup; die Musik ist spannend und modern arrangiert, aber basiert auf dänischen Traditionen. Das Konzert der Studenten des Folkmusikkurses der "Fynske Musikkonservatorium" war ebenfalls unvergesslich; als Folk Musik Big Band mit vielfältigem Talent erinnerte das Konzert am ehesten an Chateau Neuf Spelmanslag sus Norwegen, der wohl besten Folk Big Band weltweit! Tumult und die Henrik Jansberg Band waren weitere dänische Bands, die bewiesen haben, wie lebendig die junge dänische Szene heute ist. Auf schottischer Seite fanden sich bei dem Konzert die wunderbare Anna Massie, die hauptsächlich Fiddle gespielt hat, aber auch eine gute Gitarristin ist, die mit Mairearad Green am Akkordeon und Dudelsack und Jenn Butterworth an Gitarre auftrat. Ausserdem machte Give Way ihr Tønder Debut, ein Band aus Teenage Mädchen, die schon heute eine hohe musikalische Qualität beweisen, aber vielleicht musikalisch doch noch nicht ganz reif waren für die Hauptbühnen des Tønder Festivals.

Le Vent du Nord, photo by The MollisLe Vent du Nord, photo by The MollisZwei Gruppen waren für mich die Höhepunkte des Festivals. Le Vent Du Nord, aus Kanada, folgen der Tradition La Bottine Souriantes und Barachois, mit sehr lebendiger Musik und Gesang, und einer hervorragenden Bühnenperformance voller Energie, die jedes Publikum mitreissen kann. Die Band bringt vier Musiker zusammen, die schon lange in der Szene Quebecs, in verschiedensten Bands, Erfahrung gesammelt haben, und die zusammen einfach spitzenmässig sind: Nicolas Boulerice an Drehleier und Piano, Oliver Demers an der Fiddle, Benoit Bourque am Akkordeon und Steptanz und Bernard Simard an Gitarre und Gesang. Benoit brachte es selbst fertig, das Festivalzelt zu einem wilden Bouree zu bewegen (und arrangierte später einen kleinen spontanen Tanzworkshop in der Backstagebar!) Die ideale Festivalband!


Als musikalische Überraschung war ich von Eddie Reader's neuem Programm beeindruckt. Eddie ist vielen u.a. durch ihre Zeit mit Fairground Attraction als Popsängerin bekannt. Siet kurzem hat sie sich jedoch der Folkmusik stärker gewidmet, und ihre neue Band besteht aus vielen der derzeit besten Folkmusikern der britischen Szene: u.a. Ian Carr, John McCusker, Alan Kelly, Boo Hewerdine. Das Programm ist eine Mischung aus Robert Burns Songs sowie traditionellen und modernen Liedern. Mit ihrer sensitiven Bühnenpräsenz und ihrer wunderschönen Stimme ist sie ideal aufgehoben in einer solchen Top-Folkband. Und den Musikern lässt Eddie in ihren Konzerten auch genug Raum, um deren Talent zu zeigen. Mit dieser Band ist Eddie Reader definitiv einer der neuen Stars der schottischen Folkszene!

Eddie Reader Band, photo by The Mollis

Nach einem wie immer beeindrucken und einzigartigen Ceilidh-Nachmittag, bei dem wiederum Musiker in allen möglichen Kombinationen zusammenspielten, wurde am Sonntag abend das Festival abgeschlossen durch ein Konzert von den Iren Seamus Begley & Jim Murray und der Carlos Nunez Banda. Auch wenn Carlos und seine Band wie immer hervorragende Musikalität bewiesen, war das Programm für meinen Geschmack zu irisch orientiert; es gab etliche Highlights, allerdings waren mehrere Stücke auch relativ schwach. Die letzte Band des Festivals beeindruckte mich nicht - Mary Black's Set war fokussiert auf ihre typische Pop/Easy Listening Musik, auch wenn fuer einige Nummern ihre Brüder, bekannt als "The Black Brothers", mit ihrem Harmoniegesang auf die Bühne hinzukamen.

Carsten Panduro, photo by The MollisEin weiteres hervorrragendes Tønder Festival war zu Ende - auf dass die nächsten 30 Jahre so erfolgreich sein werden wie die letzten - und hoffentlich etwas trockener als Tønder Nr. 30! Herzlichen Dank an Carsten Panduro, der das Festival wie immer unvergesslich gemacht hat.

Photo Credit: All photos by The Mollis
(1) & (2): Wellies on sale and on feet of the audiance
(3) Danú in the Visemollen with John Sheahan
(4) Karen Mose & Helene Blum
(5) & (6) Le Vent du Nord
(7) Eddie Reader with Band

(8) Carsten Panduro

Festival Homepage: www.tf.dk


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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 01/2004

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