Unerwartetes Singer/Songwriter-Treffen
in Tønder
Tonder Festival, Samstag Abend, Kulturhaus
Der ärtztlich verordnete Ausfall von Eddi Reader stellt sich an diesem Abend als überraschend positiv heraus. Denn anstatt nur sie und noch zwei andere Künstler zu präsentieren wurde der Abend kurzerhand zu einem Circle fast aller auf dem Festival anwesenden Singer & Songwriter umfunktioniert. Was auf dem Tonder-Festival für Interessierte in dieser Musikrichtung geboten wird lässt sich an solch einem Line-Up ablesen.
J.P. Cormier, Dave Gunning, David Francey, Chuck Brodsky, Boo Herwerdine, Allan Taylor, Ron Kavana, Brian McNeill und John Sheahan von den Dubliner war zufällig auch zu Besuch und wurde kurzerhand mit auf die Bühne gebracht. Unterstützen ließen sich die Neun dann noch von einigen Instrumentalisten welche auch noch den einen oder anderen Song beisteürten.
Ja und anstatt zu entscheiden wer denn nun Erster einer solchen Gruppe sein soll, kommen einfach Alle zusammen auf die Bühne. Wie locker es bereits in der Garderobe zugegangen sein muss beweist die Tatsache dass Alle die Gelegenheit nutzten und den vorhandenen Fundus an Perücken und Kostümen zu plündern. Allan sogar im TüTü.
Vor der Pause fiel noch Brian McNeill mit einer sehr schönen Version von "Horses for Courses" auf und Ron Kavana mit einem seiner Songs (Titel wieder unbekannt, der sagt seine Songs nie an). Als Bonbon zu fast jedem Song gibt es immer wieder Geigen und Guitarrensolos. Wie professionell die Anwesenden sind erkennt man aber auch daran dass bei den entsprechenden Songs auch mal totale "instrumentale Stille" herrscht wenn zusätzliche Instrumente nicht angebracht sind.
Den zweiten Teil eröffnet John Sheahan mit einem Gedicht gefolgt von einem klassischen Geigenstück. Boo Hewerdine der jetzt für Chuck Brodsky auf der Bühne sitzt lässt mit "Bell, Book And Candle" letztlich Eddi Reader doch anwesend sein. Bei Allan Taylors Song "Kerouac´s Dream" weben die Instrumente aller einen wunderschönen dichten Klangteppich, der trotz allem nie chaotisch wird und Raum für eine beinahe endlose Zahl Guitarensolos lässt - grandios. David Francey ist der Nächste der das Publikum mit zwei Songs vom Hocker reisst, schlicht und wenig spektakulär aber gegen Ende hat man aber den Wunsch "Oh, bitte lass es noch nicht aus sein".
Richtig weinselig wird es dann als Ron Kavanas "New Tennesse Waltz" (den hat er angesagt) von Allan Taylor in das Original übergeleitet wird, untermalt von wunderschönen Fiddlesätzen gespielt von Brian McNeill, John Sheahan und Geoff Somers. Die Geige von Brian McNeill ist Thema eines weiteren Songs "The Devils Only Doughter", eine Liebeserklärung an Sie, mit soviel Gefühl von Brian und nur im Chorus von Ron begleitet, dargeboten dass man das Gefühl hatte der ganze Saal hält die Luft an und wäre der Song nicht in ein Geigensolo gespielt mit seiner "Geliebten Fiddle" übergegangen der Applaus für diesen Song hätte in wohl vom Stuhl geblasen.
Zwischen diesen "gestandenen" Männer sitzt ein junger Bursche sicher noch keine 30 Jahre alt und wenn J.P. Cormier "6 feet 4 and built like a firetruck" zu ihm sagt er solle singen - ja dann singt Dave Cunning eben. "The New Highway" und wie er singt, wo nimmt jemand mit seinen zwanzigund Jahren die Lebenserfahrung her einen Song zu schreiben der rings um Ihn nur noch Münder offen stehen lässt. J.P. folgt Ihm auf der "Progress-Avenue" und mit diesem Song beweist er dass er nicht nur ein begnadeter Fiddle und Guitarrenspieler ist sonder auch sein Handwerk als Songschreiber versteht.
Mit einem Song von Ron Kavana (nicht angesagt) geht der eigentliche Abend zu Ende. Tonder wäre nicht Tonder wenn ein solcher Abend nicht mit standing ovations belohnt würde und die zwei Zugaben die das Publikum dafür erhält und lauthals bis in die letzte Reihe mitsingt, machen aus dem ganzen Kulturhaus eine große Bühne mit vielen Singern und ein paar Songwritern. Trotz heftigem Einspruchs (nicht Ernst gemeint) des Saalbeauftragten lässt sich das Publikum nicht von einer dritten Zugabe abbringen - "Will Ye Go Lassie" und der gemeinsame Chorus hebt dann beinahe das Dach an. Während der Refrain noch im Saal verklingt verlassen die Künstler mit einem Strahlen auf dem Gesicht, endgültig die Bühne.
Leider lassen auch mehr als 3 Stunden Programm bei über 10 Künstlern auf der Bühne Lücken und nur einen kurzen Eindruck vom Einzelnen. Eines ist aber klar geworden an diesem Abend dass jeder der aufgetretenen Künstler den Besuch eines Solokonzertes wert ist. Abende wie dieser machen die ganzen Anstrengungen die ein Festival so mit sich bringt zu einem leicht zu ertragenden Übel. Schade nur dass man nicht mehr als die eigenen Erinnerungen zum mitnehmen hat und das Worte das Glücksgefühl nach so einem Abend nicht beschreiben können.
Ein weiterer Artikel zu Tonder, über das Konzert mit Chip Taylor & Carrie Rodriguez, in dieser Ausgabe
Zum englischen Bericht von Tonder 2003
Photo by Gerald Trebaticky
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