FolkWorld Live Review 12/2001 von Gerald Trebaticky:

Tønder Festival 2001

Drei Konzerte herausgepickt


Gerald Trebaticky besuchte Europas wohl bestes Folkfestival, und berichtet in diesem Artikel von drei auf guten Liedern basierten Konzerten: Kevin Welch & Kieran Kane, The Waifs und Luka Bloom.

Kevin Welch & Kieran Kane (USA)

Kevin beginnt gleich mit einem seiner in Tonder bekanntesten Songs "Something About You". Eine melancholische Ballade darüber wie Frauen es immer wieder schaffen die Barrikaden der Männer zu durchbrechen. Nächster Song von Kieran vorgeschlagen ein Folkklassiker, leider ohne Titelansage.

Kane & Welch, photo from http://www.fmfc.org/2000Fall/kane&welsh.htmDas Konzept das die Beiden auf der Bühne favoritisieren, wird spätestens beim 3ten Song klar. Ruhige einfühlsame Songs, abwechselnd vorgeschlagen, ganz nach Gefühl ohne die Vorgaben einer festen Songliste. Zwei perfekt gepickte Gitarren, zwei warme weiche Stimmen, die sich im Chorus treffen und wunderschön ergänzen. Für das Publikum heißt das ganz einfach zurücklehnen, Augen zu, genießen. Das heißt nicht unbedingt, dass nur langsame, getragene Songs das Programm der beiden Künstler bestimmen. Bluesige Nummern, Country und Western angehauchte Stücke gehören ebenso zum Programm.

Die zwei erlauben sich, was viele Künstler fürchten - Publikumswünsche werden erfüllt, hier beherrscht jemand sein Repertoire. Alle Songs sind individuelle Stories, nicht unbedingt die für amerikanische Künstler üblichen Westernballaden, sondern oft fast philosophische Betrachtungen unserer Zeit. "It´s a great big world, life down here on earth". Wie sehr die Zwei einen gefangen nehmen, merkt man spätestens dann, als Kieran ankündigt, dass sie bereits beim vorletzten Lied angelangt sind und der Blick auf die Uhr einem bestätigt, dass sie wirklich schon über ein Stunde auf der Bühne sitzen, die Zeit mit gebanntem und doch entspanntem Zuhören wie im Flug vergangen ist. Als Zugabe noch ein social protest song von Kevin -"Wilsons Track", nicht gegen die großen, sondern gegen die kleinen Mächtigen, die immer noch einen finden, der unter ihnen steht, den man treten kann. Als letzte Zugabe ein alter Song von Kieran, fast ein goodnight song den man summend nach einem gelungenen Konzert mit nach Draußen nimmt.

Da Kevin und Kieran nur selten in Europa zu hören sind, anbei noch ein CD-Tip "11/12/13 live in Australia" spiegelt ziemlich exakt das gehörte Konzert wider und ist somit sehr zu empfehlen.

 

The Waifs (Australien)

Im Museum Samstag Abend. Wie bekommt man am Besten die ungeteilte Aufmerksamkeit seines Publikums - rauf auf die Bühne und sofort ohne ein Wort mit dem ersten Song beginnen. Wenn der dann auch noch so losgeht wie der mit dem die Waifs starten, dann kann man sich eigentlich nur noch auf ein gelungenes Konzert freuen.

War der erste Song noch etwas ruhiger, so fetzen die Waifs mit dem 2ten gleich richtig los. "The Waitress". Auf der Bühne: ein eher unaufdringlich aber sensibel gespieltes Schlagzeug, eine perfekt und "flink" gespielte Solo Akkustik Gitarre und dann die zwei Frontfrauen der Waifs, abwechselnd Rhytmusgitarre und sparsam eingesetzte Percussions, alles nicht außergewöhnlich wären da nicht die Stimmen der Ladies, nein nicht die glasklaren getragenen irischen Balladen sondern rauh und agil, als ob sich Michell Shoked seit den "Campfire Tapes" immer weiter und besser entwickelt hätte. Die ganze Gruppe lebt ihre Musik auf der Bühne wirklich aus. Da wird gehüpft, gesprungen, Rhytmus und Gefühl gelebt, Lebensfreunde pur gezeigt. Der Funke springt schnell auf das Publikum über, Finger schnippen, Füße wippen. Schon nach den ersten paar Songs gibt es Zugabenapplaus obwohl die Waifs noch lange nicht ans Aufhören denken.

the Waifs, from www.thewaifs.comIn den Liedern werden einfache Erlebnisse aus dem Alltag der Gruppe verarbeitet und wer den bisher größten Teil seiner Karriere im Camper auf Australiens Straßen verbracht hat, der kann einige schräge Stories erzählen. Beispiele: Warum kommen nur all die Selbstmörder in unsere schöne Küstenstadt, um sich von irgendwelche Klippen zu stürzen. Oder da wird man schon mal von 50 Polizisten auf dem Highway gestellt, weil der Tramper, den man ein paar Meilen vorher aufgelesen hat, ein entflohener Sträfling ist. Wie verarbeitet man sowas am Besten - schreib einen Song darüber.

Den Namen Waifs haben die Schwestern von der Großmutter bekommen: Als sie nach 3 Jahren Reise durch Australien mal wieder Zuhause landeten, meinte diese "Oh my waifs are back" (Die verlorenen Kinder sind wieder da). Eigentlich singen die Schwestern immer beide, nur nicht unbedingt am Mikrofon, dies ist keine Kritik, nein ein weiterer Hinweis darauf, wie begeistert die ganze Truppe ihre Musik macht.

Ein weiteres Songbeispiel - "Crazy Train", fängt wie eine langsame Blues/Countrynummer an dann Pause, eine sanfte Mundharmonika weint und plötzlich explodiert sie zum Crazy Train, ein mehrminütiges kraftvolles Bluesharpsolo, der Song flacht nicht etwa ab, nein, jetzt geht es erst richtig los, zur Bluesharp setzt ein Rhytmusgitarrengewitter ein, unaufhaltsam rollt der Crazy Train und endet kraftvoll mit stürmischem Applaus bedacht. Nicht nur die energischen und abwechslungsreichen Songs zeichnen die Qualität der Gruppe aus, langsame, gefühlsbetonte Lovesongs gehören ebenso zum Repertoire wie auch vom Sologitarristen vorgetragen ein Rap mit 10 Jahren Bandgeschichte einschließlich einer Liebeserklärung an seine beiden hübschen weiblichen Bandmitglieder. Als zweite Zugabe nach Standing Ovations noch ein Dylan Klassiker "Don´t Think Twice it`s Alright" (lieber Bob hör dir mal an was man aus 20 Jahren aus diesem Song noch rausholen kann).

Der Abschluss dieses Konzertberichts ist ein Aufruf an alle Kozertveranstalter und Manager in der BRD. Leute sichert euch einen Auftritt mit "The Waifs" solange ihr sie euch noch leisten könnt, einen besseren Gig werdet Ihr so schnell nicht wieder auf die Bühne bekommen als mit den WAIFS.

Infos: www.thewaifs.com



Luka Bloom (Irland)

Sonntag Abend Zelt 1. Geplanter Beginn 20 Uhr, um 18 Uhr eine Explosion und der Hauptverteiler hinter Zelt 1 geht in Flammen auf. Aus der geschätzten Verspätung von 2 Stunden werden dann glücklicherweise nur 20 Minuten.

Luka BloomLuka alleine auf der Bühne, ein Mann, eine Gitarre, eine Stimme; erstes Stück - "Exploring the Blue", ruhig fast meditativ vorgetragen und doch bringt die hypnotische Stimme Lukas Ruhe in das Zelt mit den über 2000 folkbegeisterten Zuhörern. Der nächste Song über Pablo Picassos Ehefrau im gleichen Stil, immer die weinerlich, klagenden Refrains. Beim dritten Song "Sunny Sailerboy" summt das Zelt schon leise den Refrain mit. Das ist nicht der laute Grölfolk a la Whisky in the Jar sonder Ton gewordene Stimmung. Nur fein sind die Unterschiede im Rhytmus, die Power des einsamen Mannes da vorn auf der Bühne ist auch in der letzten Reihe präsent.

Nach einigen Stücken meint man ein Wechsel kündige sich an, Luka kündigt ein Stück von seiner neuesten CD an, die nur Songs fremder Schreiber enthält - doch weit gefehlt auch "Keeper of the Flame" mutiert zum reinrassigen Luka Bloom Song. Das schafft Luka sogar bei dem Dylan Klassiker "Feel my Love", auch die anderen Stücke, die folgen bekommen, den "bloomschen" Stempel aufgedrückt. Eigentlich müsste Luka gar keine eigenen Songs schreiben, durch seine Interpretationen entstehen eigenständige Werke, die mit ihrem Urspung wenig mehr gemeinsam haben als den Text und die Grundmelodie, und selbst die passt Luka seinem Stil an.

Bei den Instrumenten wechselt Luka Bloom zwischen einer nylonbespannten Akkustikgitarre die er sehr weich und monoton spielt und einer halbakkustischen Westerngitarre die er sehr hart und akzentuiert und fast doppelt so schnell schlägt als Erstere, diese Spielart erinnert stark an seinen älteren Bruder Christy Moore. Insgesamt weben die Gitarren aber nur den Klangteppich auf dem Lukas Stimme klagt. Beim letzten Stück läßt sich Luka vom Bodhranspieler der Gruppe Danú unter die Arme greifen, der Klangteppich wird dadurch nur dichter, ändert aber seine Beschaffenheit kaum.

"You couldn´t have come in a better time" ist die 2te Zugabe und von mir ergänzt " und zu keinem wärmeren Konzert". Als weitere Zugabe das durch Hamish Imlach bekannt gewordene "Black is the Colour", in jedem Ton bringt Luka Dankbarkeit zum Ausdruck, diesem Großen des Folks huldigen zu dürfen.

Ein Luka Bloom Konzert hat nichts mit der Bierseligkeit zu tun die der irishen Folkmusik oft zu Eigen ist, nein es ist warme Entspannung, wer immer Aktion und Show braucht, sollte Lukas Konzerte meiden, wer aber nach Stunden und einem ruhigen und gelassenen Konzert mit einem gutem Gefühl im Herzen nach Hause gehen möchte, dem sei Luka Bloom sehr empfohlen.


Die Tonder Festival Website findet sich unter
www.tf.dk


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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 12/2001

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