FolkWorld Live Review 12/2001:

www.magnetic-music.comGespenstisches Treiben

Celtic Halloween Festival am 28.10.2001 in Salzgitter

Ein Konzertbericht von Walkin' T:-)M

Anno 1997 sitze ich im Piper's Rest im Nordwesten Irlands. Es ist Hallowe'en, die Nacht, in der die Trennung zwischen Mensch- und Anderswelt aufgehoben ist. Das Pub ist ziemlich leer. Steigt vielleicht irgendwo die große "Fancy Dress Party"? Plötzlich klingelt das Telefon. Die Landlady nimmt ab und dreht sich zu mir um: "Are you Thomas?" -- Jesus! Du sitzt in einer kleinen Pinte in einem verschlafenen Örtchen im hintersten Winkel Europas und du kriegst einen Telefonanruf ...

Es stellt sich dann heraus, dass es die Leute aus meinem Hostel sind, die die Gegend durchgeläutet haben und wissen wollen, wo ich gelandet bin, um noch gemeinsam ein oder zwei Gläschen zu trinken. Die Nacht endet dann erst weit nach der Sperstunde. Das Innere abgedunkelt, denn draussen geht der neue Dorfpolizist um: Spitzname "Sheriff".

Yannick Monot, www.yannick-monot.deEin anderes verschlafenes Örtchen vier Jahre später: Salzgitter. "Stadt im Grünen, Stadt aus Stahl" habe ich einmal meiner Heimatstadt angedichtet. Und damit wäre eigentlich auch schon fast alles gesagt. Dieses Jahr gibt es das zehnjährige Jubiläum des Celtic Halloween Festivals zu feiern. Auch eine Art deja vu, wenn auch von etwas anderer Art. Die Party soll im Gewerkschaftshaus steigen. Es ist geradezu gespenstisch: Kein Plakat weit und breit, verschämt kündigt die Lokalzeitung ein "Keltisches Halloween-Festival" an. Des Rätsels Losung: Die Veranstaltung ist gewerkschaftsintern. Ein "closed shop" sozusagen. Aber niemandem wird die Tür gewiesen, der dennoch davon mitbekommen hat.

Ian Smith, www.liekedeler.deYannick Monot eröffnet mit seiner Band "Nouvelle France" das bunte Treiben. Das Orchester mit swingendem Akkordeon und Fiddle und einer pulsierenden Rhythmus-Sektion bewegt sich locker auf den Spuren von Yannicks bretonischen Vorfahren, die einst über den großen Teich gesegelt sind - zuerst nach Nova Scotia, später nach Louisiana - und die Cajun- und Zydeco Musik von heute mitbegründet haben. Two-Steps, Walzer und afro-kreolische Rhythmen bringen die Leute zum Tanzen und man bekommt eine Ahnung, wo die Ürsprunge des Rock'n'Rolls zu suchen sind.

Gitarrist Ian Smith und Fiddler Stephen Campbell wecken angenehme Erinnerungen ans Jahr 1997. Die beiden Schotten haben sich im irischen Bunbeg niedergelassen (für historisch Interessierte: Von dieser Streusiedlung in Donegal stach einst der hl. Columcille in See, um das Christentum an die schottische Küste zu bringen) und sind das Herz der Montag-Abend-Session in "Teach Hudi Beag's", der Heimat von Altans Frontfrau Mairead Ni Mhaonaigh. Eine der besten Sessions, die ich je miterlebt habe. Was Altan im Großen, sind Ian und Stephen in Minimalausgabe.
Stephen Campbell, www.liekedeler.deStephen attackiert die Fiddle - aggressiv aber kontrolliert -, und scheint nur das eine irische Lied zu kennen, das schnelle. Ians Songrepertoire reicht von "Will Ye Gang Love" bis zu "Biko Drum". Rolf Wagels von Dereelium gastiert an der Bodhran. Ein Album des Duos ist für das nächste Jahr angekundigt, solange muss man sich mit den "Trad Trathnona"-Aufnahmen (ebenfalls aus dem Jahre 1997) begnügen, zu der beide einen Beitrag beisteuern.

Man mag sich wundern, dass mit Garifin eine deutsche Band als Hauptact aufgeboten wird. (Aber hey, Deutsche sind auch nicht so schlecht!) Vom Bandnamen, Garbh Fhearann = rauhes Land, darf man sich nicht allzu verleiten lassen. Es geht weniger rauh, denn herzlich zu. Mehrstimmiger Gesang, ein paar irische Folk-Hits und rasante Instrumentals ergeben eine formidable Liveband (siehe auch den FolkWorld-CD-Review ). Als "special guest" brilliert Siobhán Kennedy (Lá Lugh) mit Gesangs-, Steptanz- und Flöteneinlagen. Und zur gemeinsamen Session aller drei Bands steigt selbst Tourmanager Alistair Russell (Ex-Battlefield Band) mit der Gitarre auf die Bühne.

Garifin, www.liekedeler.deGarifin jedenfalls hat es offenbar gefallen, wie man dem Tour-Tagebuch entnehmen kann:

"Es ist wirklich erstaunlich, mit wieviel Freude und Elan unsere Musik aufgenommen wird. Gerade an solchen Orten wie hier in Salzgitter, ist der Kontakt zum Publikum ,hautnah' und dadurch sehr persönlich ... Guido mußte natürlich erzählen, daß wir einen Betriebsratvorsitzenden haben, nämlich Yogi, und daß wir ihn schon oft rauswerfen wollten, aber das ging ja nicht, weil er unkündbar ist. Siobhan gab ihr Tageswort zum besten (,Sturzbetrunken') und die Leute waren aus dem Häuschen. Salzgitter war klasse ..."

(c) Fotos: www.liekedeler.de/garifin/book.html, www.yannick-monot.de


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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 12/2001

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