FolkWorld Artikel von Gertraud Kriegenhofer:

25 Jahre Liederjan

25 Jahre Glück für Deutschland


Unter dem obigen Motto wurde am 20. Oktober in Alma Hoppes ausverkauftem Lustspielhaus in Hamburg Liederjans Jubiläum gefeiert.

Liederjan, photo by The Mollis Das Phänomen Liederjan fand seinen Anfang wie wohl hunderte Freundschaften, Ehen und andere menschliche Verbindungen vor einer wider Erwarten verschlossenen Hörsaaltür. Anselm Noffke und Jörg Ermisch, Studenten der Betriebswirtschaft, verbrachten den Rest dieses angebrochenen Nachmittages im Jahre 1968 in einer Kneipe, erzählten sich ihr Leben und beschlossen bei "Getränken", miteinander Musik zu machen - irische.

Musikalischen Hintergrund hatten sie beide: Als Jörg noch Jörgi war, hatte er jahrelang Cellounterricht, hängte das Cello aber, als er alt genug dazu war, an den Nagel. Er war es leid, von allen möglichen Leuten über das Haar gestreichelt zu werden und "so niedlich" zu sein. Aus Rebellion griff er etwas später zur Trompete und spielte Old Time Jazz.

Klein Anselm lernte aus Neigung der Eltern Geige und fand seine Liebe zu diesem Instrument nach längerer Abstinenz auf Druck der Musikerkollegen wieder, weil eine Geige in der Band fehlte und er aufgrund seiner Vorerfahrung am ehesten in der Lage war, sie zu spielen.

Zusammen mit Jochen Wiegandt und Tom Nitsch wurden sie Tramps and Hawkers, "fühlten sich als Iren", und waren als solche sehr erfolgreich.
In den siebziger Jahren entdeckten sie, inzwischen ohne Tom Nitsch nur noch zu dritt, dass es durchaus auch Singbares in deutscher Sprache gibt. Man wollte das deutsche Volkslied nicht den deutschtümelnden Ewiggestrigen überlassen und "Heino und den Hellwigs das Publikum ausspannen". Am 14.9.1975 hatten Liederjan zur Eröffnung der Hamburger Musiktage ihren ersten öffentlichen Auftritt. Ein Jahr später kam ihre erste Langspielplatte "Deutsche Volkslieder aus fünf Jahrhunderten" auf den Markt.

Das von ihnen zusammengetragene Liedgut erzählt nicht von Sonnen-auf- und -untergängen, von Mai, Juni, Juli. Es besteht aus Klage- und Spottliedern, aus Bauerntänzen und Fröhlichkeit jedweder, auch der derben, Couleur, dem ganzen politischen und privaten Leben in Musikform, was Liederjan nicht nur Bewunderung, Ruhm und ein riesiges Archiv, sondern damals auch den Vorwurf der Frauenfeindlichkeit eingebracht hat.

Liederjan, photo by The Mollis Im Lauf der Jahre kam immer mehr Selbstverfasstes dazu, soviel (und noch mehr), um 1997 ein über 100-seitiges Liederbuch zu füllen: "Liederjans Meisterpausen".
Außerdem wurden diverse Gedichte vertont und deutsche Texte zu Melodien von englischsprachigen Liedern verfasst. So entstand unter der Autorenschaft von Jörg Ermisch die Hymne der Folkies im Norden "Land in Sicht", die ernstzunehmenden Gerüchten zufolge in die demnächst erscheinende Neuauflage des Schleswig-Holstein-Liederbuches aufgenommen wird.

Exemplarisch für die Bandbreite der Themen, denen sich Liederjan widmet, ist ihre Weihnachts-CD "Loses zum Fest". Hier spannt sich der Bogen von unpathetischer ernsthafter Feierlichkeit ("Es ist ein Ros entsprungen") bis hin zum pathetisch unernsten "Mutter", das nebenbei auch zeigt, dass Schnulzen sich selbst karikieren, wenn Liederjan sie zu Gehör bringt.

Doch nicht nur textlich-inhaltlich hat Liederjan einiges zu bieten. Geradezu legendär ist der Liederjansche Gemischtwarenladen an Instrumenten auf der Bühne, die durchaus nicht nur zur Dekoration dienen, sondern tatsächlich alle von den Dreien im Verlauf des Abends auch gespielt werden.
Ganz selbstverständlich lernte man immer das Instrument dazu, das zu dem neuen Stück am besten passte. "Schwer zu erlernen sind nur die ersten paar Instrumente", sagt Jörg Ermisch...

Pragmatisches Handeln ist, bei aller Freundschaft untereinander, ein wesentlicher Zug, der wohl entscheidend dazu beigetragen hat, dass es Liederjan immer noch gibt. Sie sehen sich als mittelständisches Unternehmen, in dem der Geschäftsalltag sauber geregelt ist.

Die Wechsel der dritten Männer waren keine Beziehungskrisen, sondern sachliche Entscheidungen, die es möglich machten, dass der Abtretende bis zum letzten gemeinsamen Auftritt voll da war.
Anselms Patentrezept für das lange Zusammenbleiben eines jungen Paares, "getrennte Schlafzimmer", heißt auch viel Raum zu lassen für jeden Einzelnen, was bei Liederjan unter anderem dazu führte, dass durch jeden Neuen mit seinen Eigenheiten das Gesamtprogramm der Truppe bunter und reicher wurde.

Liederjan, photo by The Mollis Rainer Prüss, der 1980 Jochen Wiegandt ablöste, ideensprühend und leichtfüßig, ab 1987 Edzard "Eddy" Wagenaar, die Frischzellenkur mit Keyboard, und jetzt seit 1993 Wolfgang "Hein" Rieck, in seiner feinen nachdenklichen Art: Sie haben nicht viel mehr gemeinsam, als dass sie echte Typen sind und professionelle Musiker im schönsten Wortsinn. Echtheit, Glaubwürdigkeit, Gewitztheit, Spielfreude und Professionalität sind von jeher Liederjans Markenzeichen.

Bei ihrem Jubelabend in Hamburg bewiesen die Drei - zum feierlichen Anlass teilweise verstärkt durch Rainer Prüss und Edzard Wagenaar - einmal mehr, dass sie immer noch quicklebendig sind.
Zur Zeit sind sie mit ihrem Jubiläumsprogramm unterwegs, und seit kurzem ist ihre 16. Tonkonserve erhältlich, "Ach du meine Goethe". Diese Live-CD gibt viel vom Zauber eines Liederjan-Abends wieder. Zwischen ihrem Einmarsch unter den Klängen des Heiderösleins und "Ergo Bibamus" als Das-war's entfaltet sich, "aus Rache für vier, fünf vertane Jahre", ein vergnüglicher Rundumschlag gegen den Altmeister und alle, die ihn krampfhaft hochhalten. Sowohl Deutschlehrer als auch ihre Opfer werden daran ihre Freude haben. - Eine runde Sache zu einem Jubiläum.

Euch, Ihr Lieben von Euren Freunden, Fans und/oder Musikerkollegen in der LAG ein vielstimmiges, mehr oder minder wohlklingendes "Herzlichen Glückwunsch!" - Es möge Euch ein Lächeln ins Gesicht zaubern, ein charmantes, ein verschmitztes und das eines Piraten.


Dieser Artikel wurde für die LAG Folk Schleswig Holstein verfasst, und wurde in deren Info Brief veröffentlicht. Weitere Informationen aus dem Info der LAG Folk findet man in einer FolkWorld Kolumne.

CDs von sind erhältlich bei: Pläne Records

Photo Credit: by The Mollis


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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 12/2000

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